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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne LaBastille
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aber bei ihnen relativ harmlos, Elche können sich jedoch bei Hirschen anstecken. Beim Elch verursacht der Wurm dann eine tödliche Gehirnerkrankung. Als vor der Jahrhundertwende die Hirsche in den Adirondacks Zunahmen, drängten sie die Elche zurück und trugen so zu ihrem Aussterben bei.
    Hier und dort dekorierten Biberburgen wie riesige Bienenstöcke das Ufer. Plötzlich ein hartes Klatschen, das die Stille des Sumpflandes zerriß. Vor Schreck sprang ich fast vom Sitz, bis mir klar wurde, daß nur ein Biber seine Sippe vor meinem eindringenden knallroten Kanu warnte. Der Biber und die Wildheit der Szene gaben mir das Gefühl, irgendwo in einer entlegenen Ecke von Saskatchewan zu sein. Zufrieden und gespannt seufzte ich tief. Endlich allein in den Adirondacks!
    Schon wurden die Schatten länger, und ich paddelte zum Land, um einen Lagerplatz zu finden. Ich merkte sofort, daß es in den Adirondacks im Wald sehr rasch dunkel wird. Während die Sonne auf dem Wasser noch die Seerosen vergoldete, war es im Wald bereits gespenstisch düster. Viel Zeit, um mich nach einem guten Lagerplatz umzuschauen, hatte ich nicht mehr.
    Ich suchte mir den erstbesten Fleck aus und trug meine Sachen aus dem Kanu herauf. Ungeschickt begann ich mein erstes Lager aufzubauen und Feuer zu machen. Als ich fertig war, war es schon fast dunkel. Meine ersten Lektionen in Sachen »Kampieren mit Komfort in den Adirondacks« hatte ich gelernt. In Sumpfnähe wimmelt die Luft von stechenden Plagegeistern. Sumpfwasser sieht schlimm aus und schmeckt noch schlimmer. Unter niedrigen Balsamtannen und Lärchen ist der Grund feucht. Trockenes Nadelholzreisig brennt viel schneller als Hartholz von Birke, Buche oder Ahorn.
    Ich kuschelte mich näher ans Feuer. Gefräßig wie eine Kreatur mit Eigenleben verzehrte es mein mageres Bündelchen Brennholz. Schon war es fast aufgebraucht. Im Tornister kramte ich nach der Taschenlampe und wollte noch ein bißchen Holz sammeln, ehe ich mich in den Schlafsack rollte. Ich merkte, daß die Lampe unterwegs aus Versehen eingeschaltet gewesen war und nur noch ein mattes Glimmen von sich gab. Das nächstemal galt es, die Batterien umzudrehen, damit das nicht mehr passieren konnte. Ohne Lampe in den pechschwarzen Wald zu gehen, traute ich mich noch nicht.
    Ich fügte mich in die Nacht. Im letzten glimmenden Feuerschein machte ich eine Dose Suppe auf und löffelte den dicken Inhalt ohne Wasser. In Flanelldecken gewickelt, mit Insekten-Abschreckungsmittel eingerieben, ohne das tröstliche Knistern des Feuers, begann ich die Geräusche der Nacht zu hören. Bedrohlich drangen sie auf mich ein. Etwa sechzig Meter entfernt rumorte irgendein großes Tier durchs Gebüsch. Ein Hirsch? Ein Bär? Auf dem Wasser das Klatschen eines Biberschwanzes. Kam ein Kanu? Auf der anderen Seite des Sumpfes begann ein Streifenkauz sein fanatisches Gekreisch. Direkt über meinem Kopf antwortete ein Artgenosse. Mysteriöses Gehusche, Geraschel, Gequiekse und Gekratze: Mäuse, Wasserratten, Hasen, Eulen, Füchse, Flughörnchen, Maulwürfe, Fledermäuse, Insekten, voreinander fliehend und übereinander herfallend im ewigen Kampf ums Dasein. Ich hatte Angst, eine Heidenangst.
    Dann meldete sich der Durst. Konzentrierte Bohnensuppe ist das denkbar schlechteste Abendessen, wenn man nur einen Sumpf neben sich hat. Zum See zu laufen, traute ich mich nicht; das dunkle, brackige Sumpfwasser zu trinken, traute ich mich auch nicht. Eine schlechte Kombination!
    Alles in allem war es die lehrreichste Nacht meines Lagerlebens. Natürlich habe ich sie heil überstanden, doch am Morgen war der Entschluß gefaßt: Fortan kampierst du auf hohem, trockenem Grund, in der Nähe eines klaren Baches, mit einem tüchtigen Stapel Feuerholz, mit nichtgesalzenem Proviant — und genug Zeit vor Sonnenuntergang zum Lageraufschlagen. Der Rest der Fahrt verlief gut. Zwar hatte ich nicht alle geplanten Orte aufsuchen können, aber es war genug, um mir erst einmal Mut zu machen und meine Kampier-Leidenschaft zu wecken. Als das rote Kanu am Donnerstagabend bei sinkender Dämmerung zum Hotelanleger zurückkehrte, fühlte ich mich auf subtile Weise wie ein anderer Mensch.
    »Hilf mir mal mit dem Geschirrspüler, Daniel Boone!« rief der Boß, als ich ihn in der Küche traf. Als wir mit flinken Händen schmutzige Teller auskratzten und stapelten, fragte er: »Wie war’s denn?«
    »Oh, herrlich. Das Kampieren hat solchen Spaß gemacht«, sagte ich etwas lahm, aber mit einem Leuchten auf

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