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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne LaBastille
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schönsten ist es immer, wenn ich vorn im Kanu sitze und sie paddelt. Wir fahren an einer Biberburg vorbei, und ich höre drinnen Fiepsen. Dann wittere ich einen dicken Hirsch, der am Ufer entlangstreift. Ich möchte gern ins Wasser springen, aber Sie läßt mich nicht. Und dann kehren wir heim, und Sie gibt mir ein herrliches Abendessen aus Wildbretresten. Auf dem Bärenfell am Feuer rolle ich mich zusammen und döse, während Sie im Schaukelstuhl liest. Ich muß aufpassen, daß mein Schwanz beim Träumen nicht unter den Schaukelstuhl kommt. Das tut weh. Manchmal lehnt Sie sich herüber und krabbelt mich am Bauch. Das tut gut.«
    Hast recht, du Hund meines Lebens. Diese Zeiten zählen wirklich zu den schönsten.

6
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Ich werde Waldfrau

    Meinen ersten Blick auf die Hügelketten der Adirondack-Wildnis warf ich an einem Junitag, als ich ans Ufer des Lake Serene trat. Bergbuckel auf Bergbuckel, hintereinander gestaffelt in verblassenden Blaugrünschattierungen; um den klaren See dichter Wald, Sommerhäuser, ein paar Hotels. Etwas so Schönes, Urtümliches hatte ich auf meinen Reisen noch nie gesehen. Die Wirklichkeit war besser als alle Naturgedichte und Fotos, die ich bewundert hatte. Leicht benommen sagte ich mir: Das ist genau das, wonach du dich dein Lebtag gesehnt hast. Wie Hunderte andere geldbeutelschwache College-Studenten war ich hergekommen, um in einem Touristenort in den Adirondacks zu arbeiten und Lohn und Trinkgelder aufzusparen für Bücher und Studium.
    Plötzlich stand mein gutaussehender Boß neben mir. »Gefällt Ihnen der Ausblick?« fragte er und ließ die Augen über den See schweifen. »Glauben Sie, daß es Ihnen Spaß machen wird, einen Sommer so weit weg von New York City zu verbringen?«
    Konnte er das Glück in meinen Augen entdecken? Spürte er die Freude, die in mir aufgestiegen war?
    »Mr. Brown, ist das wirklich noch Urlandschaft?« fragte ich ernst. »Ich meine, keine Häuser in den Bergen da drüben, keine Farmen, keine Straßen?«
    »Ganz richtig«, erwiderte er, ein Lächeln in den Fältchen seiner braunen Augen. »Was Sie da sehen, ist Staatsland. Es gehört Ihnen und mir und zwanzig Millionen anderen New Yorkern. Am oberen Ende, zehn Kilometer von hier, läuft der See in einen großen Sumpf aus, und nördlich und östlich liegen noch viel mehr Wälder und Seen. Jeder darf in diesem staatlichen Schutzgebiet kampieren.«
    »Was, in den Bergen und an den Seen darf man wandern und kampieren?« fragte ich ungläubig.
    »Ja. Wollen Sie’s mal versuchen?«
    »Würde ich sehr gern«, sagte ich eifrig. »Ich hab’s aber noch nie versucht. In der Stadt gab es ja für so etwas keinen Platz. Und meine Mutter hätte es eh nicht erlaubt«, kam es als gemurmelter Nachgedanke. »Aber jetzt werd’ ich’s bestimmt probieren!« erklärte ich im Vollgefühl meiner neuen Unabhängigkeit als achtzehnjährige College-Studentin mit Sommerjob.
    »Na, arbeiten Sie erst mal tüchtig«, sagte Mr. Brown, »dann werden wir sehen, ob wir Sie an ein paar ruhigen Tagen in die Wälder beurlauben können.«
    Eine Welle der Dankbarkeit stieg in mir auf, denn eine der Hauptbedingungen für den Job in diesem Hotel war: KEINE FREIEN TAGE zwischen 4. Juli und Labor Day. Meine Arbeit — Versorgung von vier Pferden, Reitunterricht geben, Naturwanderwege anlegen und unterhalten, Aushilfe als Kellnerin bei vollem Haus — versprach, mich tagtäglich voll in Trab zu halten.
    Mr. Brown stand noch einen Augenblick und schaute unter den hohen Fichten hindurch auf den See. Geistesabwesend klopfte er sich mit einer Rohrzange in die hohle schwielige Hand. Ich rückte unruhig hin und her und wußte nicht so recht, was ich zu ihm sagen sollte. Da murmelte er, fast wie im Selbstgespräch: »Die letzten beiden Zeilen aus Joseph F. Gradys Buch The Adirondacks drücken es sehr schön aus. Sein großer, hagerer Waldmensch sagt am Schluß: >Vor fünfundfünfzig Jahren bin ich hergekommen, und die Wälder sind noch so herrlich wie am ersten Tag. Mein Gott, ein wunderbares Land!<« Immer noch stand er neben mir und sinnierte. »Ich bin erst fünfunddreißig«, sagte er, »aber ich hänge genauso an diesen Bergen.«
    Mit großen Augen schaute ich ihn an und spürte, wie sich trotz des Altersunterschieds ein feines Band zwischen uns spann, ein Band der Natur. Das war das einzige Mal, daß ich Mr. Brown in diesem Sommer in entspannter Haltung sah. Augenblicke später ging er, die Rohrzange schwingend. Noch wußte ich nichts

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