Allein in der Wildnis
ersten Jäger zum Opfer fallen, dem sie vor die Büchse kam.
Eilends holte ich meine 300er Savage. Als ich zum Baum zurückkam, war der Bär ein gefährliches Stück tiefer geklettert. Aus seinem Verhalten und seinem Brummen war klar, daß er liebend gern heruntersteigen und in den Wald verschwinden wollte. Pitzi kratzte wie toll am Baum und kläffte. Ich hatte keine Zeit, um lange zu überlegen. Es hieß Bär oder Hund. Ich legte an, zielte direkt hinter die Augen und schoß. Der Bär fiel Pitzi fast genau vor die Füße und starb sofort.
Unter beträchtlichen Schwierigkeiten schleppte ich das Siebzig-Kilo-Tier zur Hütte, während Pitzi es von oben bis unten beroch. Ich band dem Bären ein Seil um die Hinterfüße, warf es über einen Ast und zog den Bären in die Luft. Dann schlitzte ich ihm die Kehle auf, damit er ausblutete. Am nächsten Tag sah ein sehr neugieriger Hund zu, wie ich den Bären abhäutete. Nichts wurde verschwendet. Das Fell ging zu demselben Gerber, der Mapuches Pelz bearbeitet hatte. Es wärmt jetzt die Lehne meines Schreibtischstuhles. Die Krallen wurden für eine Halskette aufgehoben. Den Schädel vergrub ich einige Monate, holte ihn dann blitzblank aus der Erde und nagelte ihn an die Hüttenwand. Das Beste von allem war, daß Pitzi und ich eine Zeitlang herrliche Schwarzbärensteaks und -eintöpfe zu schmausen hatten. Freunde, die ich zum Essen einlud, fragten, wo ich denn das köstliche »Rindfleisch« her hätte.
Seelisch hatte ich beim Zerteilen des Bären einige Hürden zu nehmen, denn seines dicken, schwarzbraunen Pelzes entkleidet, sah das Tier einem Menschen bedenklich ähnlich. Aber ich wußte, ich hatte das Richtige getan. Ich hatte meinem Hund das Leben gerettet und dem Bären vielleicht erspart, daß ein Jäger ihn krankschoß. Die meisten Bärenjäger in den Adirondacks schießen nur aus »Sport« und lassen den Kadaver, Fleisch und Pelz, im Wald liegen. In meinen Händen wurde alles verwertet, und der Bär starb ohne Angst und Schmerz.
War dieser Bär Pitzis gefährlichster direkter Gegner gewesen, so gab es in unseren Wäldern einen indirekt nicht minder gefährlichen Kontrahenten: den Baumstachler. Pitzis Scharmützel mit den wehrhaften Stacheltieren sind an unserem See legendär geworden. Mit fünfen hat er sich bisher eingelassen und hat es immer noch nicht gelernt, sie in Ruhe zu lassen.
Fast jeden Winter kriecht ein solcher Baumstachler unter die Hütte und schläft unter altem Holz (alleinstehende Häuser sind bevorzugte Winterquartiere). Und jedes Frühjahr, wenn er herauswatschelt, wartet Pitzi darauf, ihn zu belästigen. Bei seiner ersten Begegnung mit einem Baumstachler bekam er einen Schwanzhieb mitten ins Gesicht. Zweiundsiebzig Stacheln zählte ich in Nase, Zahnfleisch, Zunge, Gaumendach, Kinn und Wangen. Wie durch ein Wunder waren seine Augen verschont geblieben. Pitzi sah wie ein rauhbärtiger Waldläufer aus, der sich ein paar Monate nicht rasierte, und jaulte wie eine bedrängte Filmheldin in den alten Tonfilmen. Mit den Pfoten versuchte er, sich die Stacheln aus dem Gesicht zu wetzen. Der nächste Tierarzt war achtzig Kilometer entfernt. Eilends fuhr ich mit dem Boot über den See zu einem Freund. Zuerst wickelten wir den Hund in eine dicke Decke und fesselten ihm die Beine. Dann steckten wir ihm einen runden, glatten Stock zwischen die Zähne. Während ich mich spreizbeinig über Pitzi stellte und ihn mit dem Schnauzenstock festhielt, begann mein Bekannter mit einer Zange die Stacheln herauszureißen. Der arme Pitzi stöhnte jämmerlich. Alle meine Kraft war nötig, ihn niederzuhalten, damit er uns nicht biß. Ein paar Augenblicke lang war er buchstäblich von Sinnen. Zweiundsiebzig Stacheln später ließen wir den Hund los und zogen uns vorsichtig zurück. Er schüttelte sich, trabte zum See, trank und kam schwanzwedelnd zurück. Weiter geschah nichts. Trotz Tierärzten, trotz Betäubungsmitteln, trotz Ratschlägen, daß man die Stachelköpfe abzwicken oder mit Essig aufweichen soll, glaube ich fest, daß es das Beste ist, die mit Widerhaken versehenen Stacheln so bald wie möglich herauszuziehen. Jetzt habe ich auf allen Wanderungen und beim Zelten immer eine Zange und ein Stück Strick mit, denn ähnliche Malheure können immer wieder passieren, wenn Pitzi einen Baumstachler zu Gesicht bekommt.
Könnte Pitzi über sein ungewöhnliches Leben hier in den Adirondacks — so fern von seiner Heimat Guatemala — sprechen, würde er vielleicht sagen: »Am
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