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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne LaBastille
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Unendlichkeit zusammenliefen. Wie poliertes Gold leuchtete das rostige Gleis, die gelben Lärchen im Sumpf daneben flimmerten im durchscheinenden Licht, und darüber wölbte sich ein safrangelber Himmel mit schweren, purpurnen Wolkenbändern.
    In den Sonnenuntergang blinzelnd, sah ich auf der Bahntrasse eine Gruppe Männer herankommen, Schatten vor goldenem Licht. Einer ging etwas abseits, größer, schlanker, gerader als die anderen. In der Hand trug er ein Gewehr. Sie sahen aus wie Jäger, die von einem Jagdausflug zurückkamen. Halb geblendet von der Sonne, tastete ich nach dem Anlasserschlüssel, um wieder loszufahren. In diesem Augenblick hob der Große den Arm und winkte grüßend. Alles, was ich sehen konnte, war seine ranke Silhouette im Gegenlicht. Ich wartete. Wer konnte es sein? Er fiel in Laufschritt und erreichte meinen Wagen mit Vorsprung vor der Gruppe.
    »Hallo! Sind Sie nicht Anne? Das Mädchen, das in dem Ferienhotel bei Lake Serene gearbeitet hat?«
    Ich nickte, ins grelle Licht blinzelnd.
    »Wußte gar nicht, daß Sie noch hier wohnen. Wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht gesehen.«
    Jetzt schaute er mit dem Kopf durchs Autofenster. Ich beschirmte die Augen und blickte forschend in ein schmales, wettergebräuntes Gesicht mit starken braunen Augenbrauen, linealgerader Nase, großem lustigen Mund und grünbräunlichen Augen. Ja, ich erinnerte mich. Der Mann war oft zum Hotelstall zum Reiten gekommen und hatte mich immer gebeten, ihn auf den Wegen zu begleiten. So manches Mal waren wir im Galopp an Straßen entlanggeprescht. Sein guter Sitz im Sattel, seine lockere Art mit Pferden hatten mich angezogen. Er hatte eine Kamera dabeigehabt, um seine breiten Schultern geschlungen, und hatte hin und wieder Bilder von Bäumen, Blumen und Wildtieren gemacht. Die Dias waren, wie er erklärte, gutes Anschauungsmaterial für den Biologieunterricht, den er an einem kleinen College weiter südlich in unserem Bundesstaat gab.
    »Ja, hallo. Schön, daß man sich wiedersieht«, sagte ich und kramte in der Erinnerung nach seinem Namen.
    »Nick«, sagte er, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Nick Robbins. Wir haben zusammen nette Reitausflüge unternommen. Wissen Sie noch?«
    »Natürlich, Nick«, erwiderte ich lächelnd. »Es müssen sechs oder sieben Jahre her sein, seit wir uns gesehen haben. Unterrichten Sie immer noch da unten bei Albany?«
    »Immer noch«, antwortete er. »Nur ist der Stundenplan jetzt günstiger als früher. Ich habe dadurch lange freie Wochenenden, nicht nur freie Sommer. Jetzt komme ich das ganze Jahr her, im Herbst zum Jagen, im Winter zum Schneemobilfahren, im Frühling zum Kanufahren. Was machen denn Sie heutzutage so?«
    Ich wußte nicht, wieviel er gehört hatte und ob er vielleicht noch in unserem alten Hotel verkehrte. Ich entschloß mich, offen zu sein.
    »Ich wohne nicht mehr im Hotel«, begann ich. »Morgan und ich haben uns vor ein paar Jahren scheiden lassen. Ich habe jetzt mein Studium abgeschlossen und arbeite vollberuflich als Autorin und Beraterin.«
    »So etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht, als ich sah, daß jemand anders Ihren Platz eingenommen hat. Im folgenden Sommer hörte ich auf, dort zu reiten. Keiner kümmerte sich mehr richtig um die Pferde und Reitwege, und da bin ich nicht mehr hingegangen. Wo wohnen Sie denn jetzt?«
    »Hier in der Nähe«, antwortete ich vorsichtig, um die Hütte nicht gleich zu verraten. »Am Black Bear Lake habe ich mir eine Bleibe gebaut.«
    »Sind Sie wieder verheiratet?« fragte Nick.
    »Nein, tut mir leid. Gebranntes Kind... Sie wissen schon...«
    »Ich sitze im selben Boot«, gestand er, leicht den Kopf senkend. Ein Windstoß fuhr ihm durch das zerzauste dunkle Haar. Verlegen nahm er seine Büchse aus der einen Hand in die andere und zog die Schultern hoch. Ich unterdrückte einen plötzlichen Impuls, aus dem Autofenster zu greifen und ihm tröstend über den Kopf zu streichen.
    Seine Freunde hatten uns mittlerweile eingeholt und gingen zu ihren am Bahngleis geparkten Wagen. Auf den plastiküberzogenen Jagdausweisen, die jeder am Jackett hängen hatte, glänzten die letzten Sonnenstrahlen. Ich wollte nicht, daß Nick ging, aber ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Nick schaute seinen Gefährten zu, wie sie ihre Gewehre entluden und im Kofferraum verstauten und ihre Autos starteten. Vielleicht wollte er fort und wußte nur nicht, wie er unser Gespräch auf höflich Art abbrechen konnte.
    Abrupt sagte er: »Ich wünschte,

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