Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne LaBastille
Vom Netzwerk:
machte er keine Anstalten, aufzustehen.
    »Soll ich etwas zu essen machen?« schlug ich vor, wieder aus einem tiefsitzenden Impuls heraus. »Nur einen kleinen Imbiß. Dann brauchen Sie wenigstens nicht auf nüchternen Magen Karten zu spielen.«
    »Da sag’ ich nicht nein«, antwortete Nick und stand auf, um ein neues Scheit aufs Feuer zu legen.
    Ich machte einen Topf heiße Suppe, eine Platte mit Aufschnitt, Käse und Schwarzbrot, einen Salat und Tee. Aus irgendeinem Grund schien es wichtig, den Tisch nett zu decken. Über meinen Schreibtisch breitete ich eine feuerrote Guatemala-Tischdecke und zündete eine schlanke rote Kerze an. Nick sah anerkennend zu.
    »Möchten Sie Musik zum Essen? Der UKW-Sender aus Syracuse hat abends ein gutes Programm.«
    »Gern«, nickte er und setzte sich an den Tisch.
    Beim Aufträgen der Suppe streifte ich seinen Arm, und mein Körper erschauerte plötzlich. Der Kerzenschein berührte seine hohen Backenknochen, die gerade Nase, das starke Kinn. Er sah sehr gut aus. Wir aßen in Ruhe, unterhielten uns, hörten Musik, warfen uns schnelle Blicke zu und benahmen uns betont höflich. Ehe wir uns versahen, kamen die Elfuhr-Nachrichten.
    »Wie die Zeit verfliegt!« sinnierte ich laut. »Manchmal, wenn ich abends hier sitze und lese oder schreibe, lassen die Nachrichten ewig auf sich warten.«
    »So ist das, wenn zwei sich gefallen«, sagte Nick ruhig. »Einen so schönen Abend habe ich seit Jahren nicht mehr verlebt. Meist habe ich abends zu tun, muß den Unterricht vorbereiten, Rechnungen bezahlen oder Kurse in der Abendschule besuchen.«
    Eine seltsame Spannung lag jetzt in der Luft. Nervös räumte ich den Tisch ab, stapelte das Geschirr in die Spüle und stellte Lebensmittel in den Kühlschrank. Befangen mein langes Haar glättend, kam ich ins Zimmer zurück und griff den nächsten Gesprächsgegenstand auf, der sich finden ließ.
    »Haben Sie schon einmal solche Hörner gesehen?« fragte ich, plötzlich mit hoher Stimme. »Sie stammen von einer Gemse in den Karawanken in Jugoslawien.« Durch den Raum wandernd, nahm ich einen Kugelfisch vom Regal. »Dieser Kugelfisch ist aus Jamaika. Wenn man das Fleisch nicht richtig zubereitet, kann es giftig sein. In Japan«, fuhr ich fort und haßte mich, weil ich wie ein Naturkundebuch plapperte, »wird der Fisch als Spezialität gekocht und gilt als Delikatesse.«
    Warum konnte ich nicht so souverän und selbstsicher sein wie die Cosmo- Girls, von denen ich immer las?
    Nick nahm mir den stachligen Fisch behutsam aus der Hand und stellte ihn aufs Regal zurück. Dann faßte er mich sanft am Arm.
    »Kommen Sie. Setzen wir uns auf das Bärenfell am Feuer. Ich möchte diese Umgebung noch ein paar Minuten genießen, ehe ich gehe.«
    Wie ein kleines Mädchen ließ ich mich zum Feuer führen und setzte mich, die Arme um die Knie geschlungen. Meine Hände waren jetzt kalt, aber mein Herz schlug schnell. Wirre Gedanken gingen mir durch den Kopf. Ich hatte Angst. Eigentlich sollten wir uns sofort aufmachen und zum Boot gehen. Ich hätte Nick nicht zum Abendessen einladen dürfen. Er mußte das als offene Avance auffassen. Ich sehnte mich danach, seine Hand zu halten. Was sollte ich tun? Ich starrte in die Flammen. Jahre des Alleinseins überwältigten mich. Und ich wußte plötzlich, daß ich wieder soweit war: daß ich der Liebe wieder eine Chance geben wollte.
    Nick sah mich mit seinen grünlichen Augen an, als ich mich zu ihm umwandte und meine ineinander verklammerten Hände löste. Er nahm sie in die seinen. »Schon gut«, flüsterte er. Dann küßte er mich.

    Fünf Zentimeter Schnee bedeckten den Boden und gaben den Bäumen einen weißen Verputz, als ich Nick am nächsten Morgen zum Anleger brachte.
    Ich sah, wie sein Wagen langsam über die unbefestigte Straße in Richtung Hawk Hill verschwand. Ich fühlte, was seit Urzeiten jede frischverliebte Frau fühlt, wenn sie ihrem Mann — ihrem Jäger, Räuber, Liebhaber, Versorger, Beschützer — beim Abschied nachblickt. Würde ich ihn Wiedersehen? Hatte ich zuviel von mir weggegeben? Oder nicht genug? Wie ernst war es ihm?
    Ich stieg in mein Boot und fuhr nachdenklich über den Black Bear Lake zurück. Wie ein schwerer Faustschlag traf mich die Einsamkeit.
    Nick hatte gesagt, er würde zurückkommen. Das war alles, woran ich mich festhalten, alles, worauf ich warten konnte.
    Es war der Anfang einer neuen Ära in meinen Gefühlen. Nick kam zurück. Wir besuchten einander an Dutzenden von Wochenenden und

Weitere Kostenlose Bücher