Allein in der Wildnis
Sohn wieder nach drinnen. Er setzte sich zum letzten Mal an das Funkgerät und gab seinem Chef seine Meldung durch. „Ich melde mich heute das letzte Mal, wir fahren morgen früh. Wir hören vorerst nicht voneinander.“
Sein Chef wünschte eine gute und sichere Fahrt. „Denk an die Nordostpassage“, bemerkte sein Chef nochmals. Nick schaltete das Funkgerät aus und stand auf. Auf einmal zuckte er zusammen und griff sich an die Brust. Schweißperlen standen auf seiner Stirn; er schwankte.
Tim schrie auf: „Was ist los, Vater?“
Nick brachte keinen Ton mehr heraus. Er schwankte immer mehr, dann kippte er zur Seite. Im Fallen suchte er am Funkgerät nach Halt, riss es aber bei seinem Sturz mit vom Tisch. Es gab einen lauten Knall.
Inzwischen hatte auch Kevin den Tumult mitbekommen. Er lief herbei und schrie und schrie und konnte sich vor lauter Angst nicht mehr beruhigen.
Tim versuchte indes verzweifelt, seinem Vater aufzuhelfen. Er fühlte seinen Puls, aber er merkte nichts. Dann führte er eine Herzdruckmassage durch wie er es im Erste-Hilfe-Kurs in der Schule gelernt hatte, aber seine verzweifelten Wiederbelebungsversuche hatten keinen Erfolg. Hilflos schlug er wie wild auf das Herz seines Vaters. Kevin schrie, aber Tim wollte seinen Vater nicht aufgeben. Es dauerte erst eine Weile, bis er von ihm abließ und realisierte, dass sein Vater nicht mehr lebte.
Beide Jungen saßen hilflos neben ihrem toten Vater und weinten. Kevin ließ den Kopf und die Schultern hängen, er zitterte am ganzen Körper. Er konnte sich gar nicht mehr beruhigen, Tim, selbst schluchzend, nahm ihn in den Arm und wiegte ihn hin und her. Draußen vor der Hütte heulte der Hund. Tim stand auf und öffnete die Tür.
Ringo stürzte zu seinem toten Herrchen und legte seinen Kopf auf dessen Brust. Langsam begriffen die beiden Jungen die Situation.
„Was machen wir jetzt?“, fragte Kevin heulend und wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus den Augen. Tim selbst − noch erschüttert und verzweifelt − versuchte seine Gedanken zu ordnen.
„Wir müssen versuchen, das Funkgerät wieder aufzustellen, vielleicht funktioniert es noch. Wir wissen ja, wie es geht, damit können wir Hilfe holen.“ Unter Tränen bauten sie das Funkgerät auf dem Tisch wieder auf, aber es funktionierte nicht mehr. Das Kabel war beim Fallen abgerissen, und auch einige Schalter waren defekt. Tim und Kevin hatten keinen Kontakt zur Außenwelt.
„Wir sind verloren“, kreischte der Jüngere hysterisch. „Wir werden hier ebenfalls sterben!“ Er schlug die tröstende Hand seines Bruders weg.
Dieser sagte: „Nein, hör auf, wir überleben das schon!“
„Aber die denken doch, dass wir morgen fahren, deshalb wird uns keiner suchen. Die wissen nicht, dass Vater tot ist. Er hat uns belogen.“
„Wieso belogen?“
Kevin schluchzte, seine Schultern bebten.
„Er hat heute Morgen gesagt, es ginge ihm gut.“
„Jetzt hör auf! Woher sollte er denn wissen, dass er stirbt?“
„Er hat uns im Stich gelassen, er hat uns alleingelassen in der Wildnis.“ Kevin flüsterte nur noch, dabei liefen die Tränen über seine Wangen.
Tim bemerkte, dass Kevin offenbar einen Schock erlitten hatte. Was sollte er tun? Was konnte er tun? Der heutige Tag hatte so gut angefangen, aber jetzt herrschte das reinste Chaos. Darauf war auch Tim nicht gefasst gewesen, er wusste nicht weiter. Er setzte sich hin und starrte ins Leere. Was mache ich nur? , fragte er sich immer wieder. Auch er fühlte sich alleingelassen . Ich bin doch selbst noch ein Kind , dachte er hilflos. Die Situation überforderte ihn. Eine halbe Stunde lang hockte Tim einfach da und schaute sich um. Er beobachtete seinen schluchzenden Bruder, musterte seinen toten Vater, starrte den Hund an und schaute auf die gepackten Sachen. Plötzlich sprang er entschlossen hoch und rief: „Wir fahren morgen.“
Kevin schaute Tim erschrocken an. „Spinnst du jetzt? Wir können nicht fahren, schau dir das Wetter an, außerdem hast du keine Fahrerlaubnis, und wir kennen auch den Weg nicht. Wir kommen draußen um. Ich fahre nicht mit dir“, brüllte er.
Tim setzte sich zu seinem Bruder und nahm dessen Hand. Ganz ruhig sprach er auf ihn ein: „Wir haben keine andere Wahl. Das Funkgerät ist defekt. Jeder nimmt an, dass wir morgen nach Hause fahren. Niemand wird uns in nächster Zeit vermissen oder uns suchen. Wir haben keine Lebensmittel auf Dauer, das Feuerholz reicht auch nicht mehr lange, ebenso fällt der Strom auch
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