Allein in der Wildnis
Die Festplatte des Computers war voll mit Bildern von dem Wolf.
Die dahinziehenden Monate gingen an dem Wolf jedoch nicht spurlos vorüber. Er wurde größer, schwerer und gefährlicher. Gleichzeitig probierte er ständig, seine Machtposition gegenüber Ringo auszuweiten, und die Probleme häuften sich. Ein Alleinlassen der beiden hätte zu einem Kampf auf Leben und Tod geführt.
Eines Tages ertönte in der Nähe der Hütte das Heulen eines Wolfsrudels. Bandit spitzte seine Ohren und brach ebenfalls in ein lautes Geheule aus. Er scharrte mit den Pfoten an der Tür, nichts konnte ihn jetzt mehr halten.
„Lass ihn ziehen!“, meinte Nick zu seinem Sohn. „Er hört die anderen und möchte zu ihnen. Du kannst ihn nicht halten, denn er ist und bleibt ein Wildtier.“
Tim schüttelte energisch den Kopf: „Nein, er ist mein Freund.“ Er rannte zu dem Wolf und wollte ihn an sich drücken, aber Bandit knurrte nur. Beide standen sich gegenüber und schauten sich für einen langen Moment an. Dann öffnete Tim schweren Herzens die Tür und ließ den Wolf laufen.
Bandit rannte hinaus und drehte sich nach einigen Metern zu Tim um. Die Freunde verharrten und sahen sich noch einmal an. Tim hatte Tränen in den Augen. Dann drehte sich der Wolf um und verschwand im Wald.
„Den einen Monat bringen wir auch noch herum, und dann fahren wir nach Hause“, tröstete der Vater Tim. „Also Kopf hoch, und denke daran, dass du bald deine Klassenkameraden wiedersehen wirst!“
Es zog nun Ruhe in der Hütte ein, Ringo war wieder das einzige Tier im Haus. Kevin liebte diesen Hund. Er bedauerte es zutiefst, dass er zu Hause keinen Hund halten durfte. So nutzte er hier die Chance, sich mit dem Tier zu beschäftigen. Ich muss unbedingt Mutter überzeugen, dass wir auch einen Hund haben sollten, dachte er sich im Stillen.
„Ich muss mich bei dir noch bedanken“, sagte einige Tage später der Vater zu Tim. „Wenn du nicht alles in den Computer getippt hättest, dann wäre vieles verloren gewesen. Bandit hat ganz schön viele von den Unterlagen vernichtet.“ Tim musste lachen. „Ja, der Wolf war schon ein Schlawiner.“
Er vermisste ihn sehr.
Der Wintereinbruch
Der Oktober war in diesem Jahr ungewöhnlich kalt, die Bäume verloren bereits früh ihre Blätter. Der Wind fegte sie umher, und es war ungemütlich draußen. Die drei verbrachten den Tag jetzt lieber in der Hütte. Die Sonne ging spät auf, und es wurde sehr früh dunkel.
Die paar Tage schaffen wir noch, dann sind wir wieder zu Hause , sagten sich Tim und Kevin immer wieder.
Am Anfang hoffte Tim noch, dass sich Bandit bei ihnen blicken lassen würde, aber er erschien nicht. „So ein undankbares Tier!“, schimpfte er. Aber mit der Zeit sah auch Tim ein, dass ein Wolf zu seinem Rudel gehörte.
Eines Morgens hatte sich der Nationalpark verändert: Der erste Schnee war gefallen. Die Landschaft wirkte wie mit Puderzucker überstäubt. Der kalte Wind fegte durch die kahlen Äste der Bäume, und kleine Schneeflocken tanzten in der Luft. Die Temperatur fiel rapide und der Winter hielt seinen Einzug ungewöhnlich hastig. Mit jedem nun folgenden Tag verstärkte der Winter seinen Griff, die Schneewehen wuchsen. Die Berge waren dick verschneit, und am Dach der Hütte hingen Eiszapfen.
Für den Husky war diese Veränderung allerdings die größte Freude. Er tobte ständig im Schnee und schlief auch tagsüber draußen. Für ihn gab es nichts Schöneres, die Kälte störte ihn nicht.
Die Familie hingegen hatte zu kämpfen. Sie kamen manchmal schwerer zur Tür hinaus, weil der Schnee sich davor auftürmte. Der Vater schaufelte jeden Morgen mit den Jungen den Weg frei, aber abends war alles wieder zugeschneit. Das unheimliche Gefühl in der Nacht verstärkte sich, denn das Heulen der Wölfe und Kojoten war noch intensiver zu hören als sonst. Kevin zog seine Decke über den Kopf . Nur noch einen Monat , sagte er sich.
Eines Morgens schien dann wieder die Sonne. Der Schnee glitzerte, als wenn Tausende von Diamantsplittern im Schnee steckten. Die Temperatur war unter minus zwanzig Grad gefallen. Alles draußen war eingefroren, ein paar Tierspuren waren aber dennoch zu sehen. Ein Elch trieb sich in der Nähe der Hütte herum. Er suchte Futter.
„Aber warum ist er allein?“, fragte sich Nick, der Wissenschaftler.
In der Luft zog ein Adler seine Bahnen. Alles sah ruhig und friedlich aus.
Nick zog seine Mütze tiefer ins Gesicht und verbarg seine Nase unter dem
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