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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Paulsen
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etwas.
    Was vor ihm auf der Wiese lag, waren die Dinge, die er hatte. Doch Brian hatte auch noch sich selbst. »Du selbst bist dein wertvollster Besitz!«, hatte Perpich seinen Jungen immer wieder eingeschärft. »Vergiss es nicht. Du bist das Beste, was du hast.«
    Brian schaute sich um. Ich wünschte, Sie wären hier. Mr Perpich!, dachte er. Ich habe Hunger und würde alles für einen Hamburger geben.
    »Hunger«, sagte er laut. Zuerst in normalem Ton, dann lauter und immer lauter, bis er es hinausbrüllte: »Hunger! Ich habe Hunger!«
    Plötzlich herrschte tiefe Stille im Wald. Die Grillen zirpten nicht mehr, die Vögel waren verstummt, sogar das Rauschen der Blätter im Wind hatte aufgehört. Der Klang seiner Stimme hatte alles zum Schweigen gebracht. So still war es jetzt.
    Staunend sah Brian sich um. Und erkannte, dass er noch niemals im Leben die Stille gehört hatte. Völlige Stille. Immer hatte es irgendwelche Geräusche gegeben. Das leise Dröhnen der Großstadt, das nächtliche Echo der Straßen.
    Die Stille dauerte nur ein paar Sekunden lang. Aber sie drang tief in Brian ein. Da war nichts, kein Geräusch. Und dann fingen die Vögel wieder an zu singen; Insekten summten im Gras; ein Schnattern und Krächzen schallte vom Waldsaum herüber. Alles war wieder normal.
    Aber der Hunger blieb. Na, klar!, dachte Brian, während er die Münzen in die Tasche schob und das Beil wieder am Gürtel befestigte. Der Hunger macht mir nichts aus, wenn die Retter noch heute kommen, spätestens morgen früh. Immerhin konnte man einige Zeit ohne Nahrung überleben – wenn es nur genügend Trinkwasser gab. Auch wenn die Retter erst nach zwei Tagen kämen, würde Brian es überstehen. Vielleicht magerte er ein bisschen ab. Doch der erste Hamburger würde den Speck wieder auf die Rippen bringen. Ja, Hamburger mit Pommes und Ketchup.
    Leuchtend und dampfend, wie in der Fernsehreklame, tauchte das Bild eines frisch gebratenen Hamburgers vor ihm auf. Saftiges Fleisch, mit zerfließendem Käse obendrauf.
    Schluss jetzt! Energisch verdrängte Brian das verlockende Bild aus seiner Fantasie. Auch wenn die Retter noch auf sich warten ließen, würde er nicht den Verstand verlieren. Hier gab es Wasser genug – auch wenn Brian nicht wusste, ob es sauber und trinkbar war.
    Er saß unter der hohen Fichte, den Rücken an den rissigen Stamm gelehnt. Aber es gab noch etwas, das ihn bedrückte. Auch wenn er nicht wusste, was es war. Ein unbewusster Gedanke vielleicht, eine uneingestandene Angst? Etwas, das mit dem Flugzeug und dem Piloten zusammenhing. So viel wusste er. Etwas, das alles verändern konnte …
    Ah, jetzt fiel es ihm ein. In dem Moment, als der Pilot in seinem Sitz zusammenbrach, hatte er mit dem Fuß ausgeschlagen und das Steuerpedal berührt. Das Flugzeug war jäh zur Seite geschwenkt. Was hatte das zu bedeuten? Warum drängte sich dieses Bild immer wieder in Brians Gedächtnis? Es bedeutet, so sagte ihm eine innere Stimme, dass die Retter vielleicht nicht kommen würden. Weder heute noch morgen. Als der Pilot auf das Pedal trat, hatte das Flugzeug – mit einem plötzlichen Schwenk – die Richtung gewechselt. Wie weit, wusste Brian nicht. Bestimmt nicht sehr weit. Aber danach war Brian – den toten Piloten neben sich in den Gurten – noch eine ganze Weile in die neue Richtung geflogen. Weit entfernt von dem Kurs, den der Pilot per Funk an die Leitzentrale gemeldet hatte. Stundenlang. Auch wenn sich der Kurs nur wenig geändert hatte, bedeutete dies, dass Brian weit entfernt von der vorgesehenen Flugroute gelandet sein musste.
    Nun ja. Es konnte mehr als drei Tage dauern, bis die Retter ihn fanden. Angst stieg in Brian auf. Sein Puls ging schneller. Es war eine unerbittliche Logik. Die logische Schlussfolgerung aber schob Brian beiseite. Bis sie ihn mit explosiver Kraft überwältigte:
    Es konnte sehr lange dauern, bis sie ihn fanden!
    Brian verstand, dass die Retter vielleicht niemals kommen würden. Er schluckte die Panik hinunter und bemühte sich positiv zu denken. Gab es nicht jedes Mal eine Suchaktion, wenn ein Flugzeug vermisst wurde? Männer mit Flugzeugen suchten die Strecken ab. Man würde wissen, dass Brian vom richtigen Kurs abgekommen war. Hatte er nicht per Funk mit der Leitstelle gesprochen? Man würde es weitermelden. Die Retter würden ihn finden.
    Und alles würde ein gutes Ende nehmen.
    Ja, morgen würden die Retter kommen. Sie würden ihn suchen und finden. Und wenn nicht morgen – dann eben

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