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Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuvia Tenenbom
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wie man dieses System verbessern kann.
    Wird Volkswagen auch eine Ausstellung zum Weltfrieden machen? frage ich ihn.
    Oh, das ist schwierig, antwortet René. Mit Orangen ist es einfacher. In Spanien beispielsweise brauchen sie nur 15 Liter Wasser pro Orange, weil sie das Wasser gezielt auf die Orange richten. Nicht so in Afrika, einem sehr reichen, aber korrupten Kontinent, der sein ganzes Wasser verbraucht, um …
    Der Mann redet und redet und redet. Wer hat ihm das alles beigebracht?
    Hier geht es keinesfalls ums liebe Geld; wie kommen Sie denn auf den Gedanken? Nein, hier geht es ausschließlich um dasGute. Wirklich. Ich, Tuvia Schmidt, weiß es. Ganz auf den Kopf gefallen bin ich auch nicht. VW wird von Leuten geführt, denen die Unversehrtheit und Gleichheit der Menschen am Herzen liegt; es ist nicht wirklich ein Autohersteller, sondern eine Kirche. In dieser Kirche finden sich viele Nonnen und Pfarrer, allesamt selbstlose Freiwillige.
    Über ihnen allen thront Otto F. Wachs, Autostadt-Geschäftsführer. Wir setzen uns zusammen, um über die Gemeinnützige Organisation und Kulturaustauschinitiative namens Autostadt zu sprechen.
    Er macht diesen Job seit 15 Jahren und fährt selbst einen »sehr schnellen Audi«.
    Er erklärt mir, dem etwas begriffsstutzigen Amerikaner: »Wir Deutschen sind sehr technikorientiert. Wir sind vielleicht nicht so gut wie ihr im Kommunikationsbereich, wie ihr in Silicon Valley seid.«
    Ich weiß nicht, was mich plötzlich überkommt, wahrscheinlich ein kurzzeitiger Anfall von Wahnsinn. Mein Gesicht verzerrt sich grotesk, wie bei einem dieser dicken amerikanischen Journalisten, und ich werde fies: Ich sage ihm, er möge doch bitte die Maske fallen lassen und daß ich es ihnen nicht abkaufe, wenn die Mitarbeiter sagen, VW ginge es um die Menschen, und daß diese ganze Level-Green-Geschichte für mich nach einer einzigen Riesenheuchelei klingt. Ob er das wohl bestreiten wird?
    Ich brauche einen Psychiater, keine Frage.
    Otto schaut mich an und sagt:
    »Sie wollen eine ehrliche Antwort? Wir verkaufen Autos. Sie werden nicht glauben, wie viele Autos wir verkaufen!«
    Hat nun auch er den Verstand verloren? Hat er das wirklich gesagt? Daß all diese Ausstellungen bloße Show sind?
    »Meine Aufgabe ist es, Autos zu verkaufen.«
    Offensichtlich ist Wahnsinn ansteckend.
    VW, erzählt er mir, baut über sechs Millionen Autos im Jahr. Die meisten Deutschen kaufen Autos aus Liebe zu diesem Produkt. »Sie kaufen es nicht aus Gründen der Mobilität – um von Punkt A nach Punkt B zu kommen. Ganz anders als in Ihrem Land.«
    Mercedes-Benz, läßt er mich stolz wissen, hat das Auto erfunden, worauf die Deutschen stolz sind.
    Es gibt aber noch mehr Unterschiede zwischen Amerikanern und Europäern.
    »Ich erinnere mich an diese 60-Minutes -Sendung auf CBS, in der ein Geistlicher sagte: ›Meine Tochter wurde von diesem Audi in der Garage totgefahren, weil mein Wagen von selbst beschleunigte. Ich konnte nichts dagegen tun und habe meine eigene Tochter auf dem Gewissen.‹ 60   Minutes , CBS. Danach waren wir natürlich aus dem Geschäft. Jetzt muß ich auch einmal etwas sagen, weil ich sehr offen mit Ihnen war. Ihr seid eine sehr offene, demokratische Gesellschaft. Aber in Ihrem Land … Ihrer Öffentlichkeit, Ihren Medien … Manchmal ist es mehr als strapaziös, wie die Medien in Ihrem Land auf Ereignisse reagieren.«
    Die deutschen Medien, glaubt er offensichtlich, würden so etwas nie tun.
    Gut zu wissen. Sollte ich irgendwann einmal einen Automobilkonzern besitzen und plötzlich wegen überraschender Beschleunigungsprobleme in die Bredouille kommen, dann nichts wie ab nach Deutschland.
    Otto ist heute guter Dinge. Im weiteren Gespräch verrät er mir die Idee, die hinter alldem steckt:
    »Wenn Sie die Autostadt verlassen, dann glauben Sie an VW … und werden eher geneigt sein, sich einen VW zuzulegen.«
    Wir unterhalten uns noch lange, dann begleitet er mich hinaus. Er sagt mir, daß ich in seiner Gesellschaft ruhig rauchen darf, daß niemand mich daran hindern wird. Ich probiere es gleich aus. Er hat recht! Es funktioniert! Ich gehe zurück ins Hotel. Ich bin müde. Sesam, öffne dich, mit einem neuerlichen Lächeln. Ich gehe auf mein Zimmer. Meine Fernsehdame ist verschwunden. Muß wohl böse auf mich sein. Ich lege mich aufs Bett. Wie soll es nun weitergehen?
    Wenn ich heute etwas gelernt habe, dann dies:
    Sozialismus ist, wenn man Geld verdient, indem man über die Umwelt spricht.

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