Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
nachdem sie »unter Alkoholeinfluß«, wie man in New York vornehm sagt, am Steuer erwischt wurde. Ich frage mich, was mein Halb und Halb aus Hamburg von ihr hält. Ich sehe ihn in seinem Büro vor mir, im sechsten Stock des Zeit -Gebäudes, wie er in einem fort lacht!
Margot brauchte ein Leben lang, um ein Bistum zu bekommen, und ein Glas Wein oder Bier, um es wieder zu verlieren.
Komm zu mir, Giovanni, und wir laufen zusammen durch die Straßen von München und lachen uns schief, bis diese Stadt explodiert!
An einem Tisch gleich hinter Margot sitzt ein Bischof. Griechisch-orthodox. Er heißt Constantin Miron, hat einen langen Bart, einen großen Bauch und einen Pferdeschwanz. Er bohrt in der Nase, schaut sich um und bohrt wieder in der Nase. Sie spricht über das Gute, das alle Religionen den Menschen geben, oder etwas in dieser Richtung, und der Grieche bohrt in der Nase. Falls ich sie recht verstehe, sagt sie, daß wir alle voller Hoffnung sein können, wenn wir uns nicht den Regeln der Medien beugen – und der Pulk der Pressefotografen drückt auf die Auslöser. Applaus. Musik. Ende. Sehr PC. Das Publikum tobt. Die Deutschen, scheint es, bevorzugen nichtcharismatische Führungsfiguren. Nüchterne, leidenschaftslose Führer treiben die deutsche Seele und Psyche zu immer neuen Höhen. Die Versammelten, Margots Anhänger, nähern sich nun mit ihren Digitalkameras dem Podium. Sie drücken und drängeln. Sie wollen Fotos machen. Fotos von ihrer lebenden Göttin.
Immer mehr Leute treibt es nach vorne.
Sie tritt vom Podium herunter, eine kleine Frau in Schwarz, und die Menge folgt ihr.
Es entwickelt sich ein regelrechtes Gedränge. Die Leute können einfach nicht loslassen. Nur noch ein Bild. Nur noch ein Autogramm. Sie machen Männchen, um ihr nahe zu kommen. Sie wissen noch nicht, auf welcher Seite von Jesus sie da oben sitzen werden, aber sie wissen, auf welcher Seite von Margot sie hier unten stehen wollen. Sie versuchen ihre Digitalkameras höher zu halten als die anderen Digitalkameras. Hier möchte jemand ein Halstuch signiert haben. Margot liebt augenscheinlich alle Nationen und alle Religionen und nimmt ihrer aller Bewunderung gnädig entgegen.
Wo ist der nasebohrende griechische Typ hin? Hat sich verabschiedet. Er ist verschwunden, ohne daß es auch nur jemand bemerkt hätte. Es gibt nur Margot, die Bewunderer und das Halstuch. Eine Dreifaltigkeit. Ich stehe neben ihr, verblüfft über die Menschenmenge. Wer weiß, eines Tages wird dieses Halstuch an einem Ort namens Turin 2 zur Schau gestellt, und Millionen werden dorthin pilgern, um die Wunder des Tuchs zu sehen. Und ich werde von meinem Platz im Himmel neben Frau Ritz aus lächeln und der Frau aus Lübeck zu Jesu Linken sagen: Ich war dabei, als alles begann, ich habe es mit eigenen Augen gesehen!
Nur daß ich mich jetzt, noch auf Erden weilend, mit einer alten Dame befassen muß, die mir gerade auf den Fuß getreten ist. Was natürlich leicht zu verschmerzen ist; schließlich bin ich dafür bei der Geburt eines Wunders dabei.
Während ich dies schreibe, und ich gewöhne mich langsam schon daran, bleiben Menschen bei mir stehen und betrachten mein iPad, das es in Deutschland anscheinend noch nicht gibt. Sie fragen, ob sie mir zuschauen dürfen, wie ich auf ihm schreibe, und wüßten gerne Näheres darüber, wenn die Frage gestattet sei. Ich bin beeindruckt: Keinem dieser Menschen kommt beim Anblick des iPad in den Sinn: »Darauf möchte ich spielen.« Nein. Sie machen sich Gedanken über die Technik, die sie in dem Gerät vermuten und ernsthaft bewundern. Und ich bewundere ihre Bewunderung. Ich kenne keine andere Kultur, in der die Menschen so technikbegeistert sind.
Ich erinnere mich an den Apple Store in New York vor nur wenigen Wochen, als das iPad Premiere hatte. Es gab sagenhaft lange Schlangen vor dem Laden. Drinnen fühlte man sich wie in einer Sardinenbüchse. Jeder wollte das iPad anfassen. Und in dem Moment, wo die Menschensardinen es in die Finger bekamen, spielten sie diverse Spiele darauf. Die Begeisterung galt den Spielen. Aber das ist nicht die Einstellung der Leute hier, dieser Deutschen. Sie wollen das technische Drumherum wissen. Niemand fragt mich nach irgendwelchen Spielen. Hier stellen sie Fragen wie: Haben Sie wirklich gerade darauf getippt? Ist das leicht? Man kann Dateien damit anlegen, nicht nur … Kann ich die Tastatur mal sehen? Und dann per E-Mail versenden? Ist es besser als ein Computer?
Komisch, aber das ist
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