Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Kapitalismus ist, wenn man Geld verliert, weil man gigantische Rückrufaktionen hat.
Stimmt das? Ach, ich weiß überhaupt nichts mehr. Vielleicht sollte ich mir einen Stuhl schnappen und nach unten gehen, mich zwischen die Eingangstüren setzen und mich stundenlang von all diesen liebreizenden Ladies anlächeln lassen.
Der Schlaf übermannt mich, wiegt mich in Träume vom Ewigen Lächeln der Ritz-Carlton-Damen und zaubert mir selbst ein seliges Lächeln ins Gesicht.
Kapitel 7 In dem wir Katholiken und Protestanten in freudiger Erwartung sehen, den »Leib Jesu« zu verspeisen, während die Juden die Nacht durchmachen, um sich anders verköstigen zu lassen
In München, flüstert mir am nächsten Morgen ein Vögelchen ins Ohr, findet etwas statt, das sich Kirchentag nennt. Deutschlands Katholiken und Protestanten schließen Frieden oder so ähnlich. Ich wußte gar nicht, daß es einen Krieg gibt, aber was weiß ich schon? Nicht viel; ich bin nur ein Tourist.
Tausende und Abertausende Deutsche strömen nach München; vielleicht sollte ich mich ihnen anschließen. Nach dem Hotelfrühstück nehme ich einen Zug gen Süden. Ich bin kein Christ, aber mich faszinieren Menschen, die sich vereinigen wollen. Ich liebe Vereinigungen, sie vermitteln mir ein Gefühl von Wärme. Wie ich es gerade heute brauche. Es ist bewölkt und regnerisch, und die Aschewolke zieht noch immer über Europas Himmel. Die Bild -Zeitung verkündet, dies sei der kälteste Sommer seit 100 Jahren. Die Menschen klagen darüber, sind aber immer noch voller Hoffnung, daß Deutschland die Weltmeisterschaft gewinnt. Die Deutsche Bahn bietet eine Fan-BahnCard an. Auch ich kriege eine. 25 Prozent Preisnachlaß für zwei Monate ab heute, und jedesmal, wenn das deutsche Team gewinnt, gibt’s einen weiteren Monat mit 25 Prozent Rabatt dazu.
Die Straßen von München sind voller betender Menschen. Ich hatte keine Ahnung, daß es so viele Gläubige in Deutschland gibt. Hier haben wir eine Gruppe, die für Afghanistan betet.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite betet eine andereGruppe zu Maria. Oder umgekehrt – ich bin verwirrt. Regina, eine nette Dame aus Lübeck, empfiehlt das morgige Gebetstreffen.
Was ist das?
»Wir werden herausfinden, auf welcher Seite von Jesus wir im Himmel sitzen werden.«
Auf welcher Seite sehen Sie sich?
»Das werde ich morgen erfahren.«
Ich bin ganz aufgeregt. Wenn ich lange genug hierbleibe, kriege ich einen hübschen Platz im Himmel. Vielleicht, ich meine, vielleicht könnte ich die Lächellady von meinem Ritz-Carlton-Fernseher mitnehmen. Wahrscheinlich sollte ich esIhnen nicht auf die Nase binden, aber ich habe meine Freude an dieser ganzen Himmelskiste. Regina aus Lübeck kriegt Jesus und ich kriege Frau Ritz.
Ich trotte in eine Kirche, um mich schlauer zu machen.
»Sie haben einen jüdischen Akzent«, sagt Manfred zu mir, als ich pünktlich zur Sperrstunde in einem der kircheneigenen Gute Nacht -Cafés einlaufe. Ich will schon wieder gehen, aber die guten Menschen hier lassen einen Himmelssucher nicht einfach in die Nacht entschwinden. Ich bekomme sogar ein Stück Kuchen mit frischgebrühtem Kaffee, und Manfred setzt sich auf einen Schwatz zu mir.
Er hat einige Juden aus dem jüdischen Staat kennengelernt, läßt er mich wissen, und mein Akzent klingt wie ihrer. Bin ich ein Jude?
Nein, ich bin Pole. Heute zumindest. Jordanier und Deutscher war ich lang genug. Ich brauche eine Veränderung. Change , ganz Barack Obama.
Manfred: »O Gott. Die Israelis sind ziemlich aggressiv. Sie schließen die Grenzen, so daß die anderen nichts zu essen haben, sie hungern die Palästinenser im Gazastreifen aus, sie sind militärisch sehr aktiv. Sie wollen keinen Frieden, sie wollen Krieg.«
Gut, gut, aber da ist ein kleines Problem. Gaza ist zwischen Israel und Ägypten eingeklemmt. Während die Israelis gewisse Nahrungsmittel und Medikamente nach Gaza hineinlassen, halten die Ägypter ihre Grenze zu Gaza hermetisch geschlossen und lassen gar nichts hinein.
Stört es Sie, daß Ägypten seine Grenze noch mehr verschlossen hält als Israel?
»Ich weiß nicht, warum die Ägypter das tun, also kann ich es auch nicht beurteilen.«
Aber natürlich weiß er alles über die Juden .
Vielleicht weiß er auch, daß ich kein Pole bin. Ich fühle mich bloßgestellt. Ich sitze hier in München und esse diesen köstlichen Kuchen, während ich gleichzeitig die Palästinenser im Gazastreifen aushungere. Ein so gräßlicher Mensch
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