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Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuvia Tenenbom
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Und plötzlich sehe ich hier aber auch einige serbische Fahnen. Werden sie den anderen den Spaß verderben? Die Fans, von denen nicht wenige von weit her mit dem Zug angereist sind, nur um hier zu sein, nur um das Spiel zusammen mit anderen zu sehen, skandieren geistreiche Gedichte mit blumigen Zeilen wie »Deutschland vor, / Schieß ein Tor!«.
    Mit einemmal, aus dem Nichts heraus, schießt Serbien ein Tor. Die serbischen Fans frohlocken. Na klar! Im Grunde ist ja auch das Tor einzig und allein ihr Verdienst! Man sollte sie allerdings bloß nicht daran erinnern, daß sie eigentlich nicht wirklich in Südafrika auf dem Platz stehen, sondern auf dem Roßmarkt in Frankfurt eine gigantische Videowand anstarren. Die Deutschen hier haben schlechte Laune, schlechtere Laune als die Palästinenser in Gaza. In der Halbzeitpause hält ein Mann mit einem Mikrophon auf einer Bühne die Leute zu mehr Fröhlichkeit an. Wir liegen nur 0 : 1 zurück, erinnert er sie. Zeitverschwendung; sie sind zu deprimiert.
    Auch in der zweiten Halbzeit will der deutschen Mannschaft einfach kein Tor gelingen. Eine junge Frau wischt sich die Farben der deutschen Flagge aus dem Gesicht und geht.
    Es sind vielleicht 10000 Menschen hier. Was sind das eigentlich für Leute?

    Mit meinem Presseausweis in der Hand darf ich die Bühne betreten und die Menge von oben betrachten, der Menschenmasse ins Gesicht blicken. Wenn man sie von der Bühne aus anschaut, unter den riesigen Großbildleinwänden, strahlen die Tausende von Gesichtern zurück wie ein seltsames Gemälde, Gesichter über Gesichter, die zu einer unteilbaren Einheit von Anbetern verschmolzen sind. Einige scheinen zur Leinwand zu beten, und ich fühle mich wie Gott. Sie brüllen in meine Richtung, diese Anhänger, die andere verwünschen.
    Die schweigende Mehrheit derer, die nicht schreien, steht beinah reglos da, wie die Bäume im Schwarzwald. Der Anblick wirkt wie das Gemälde eines Gestörten.
    Ich kann meinen Blick kaum von der Menge abwenden. Es ist ein Bild von überwältigender Schönheit und staunenswerter Häßlichkeit zugleich. Man kann es nicht reproduzieren. Kein Foto und kein Film kann die Ungeheuerlichkeit dieses Moments einfangen.
    Einem Gerücht zufolge, dessen Übermittler ich nicht preisgeben kann, ist der Emir von Katar heute in Frankfurt. Er soll im Steigenberger Frankfurter Hof abgestiegen sein, wo auch sonst. Das ist ein wirklich angenehmes Hotel. Und in diesem angenehmen Hotel hat es angenehme Menschen. Und die angenehmen Menschen dieses angenehmen Hotels begrüßen auch mich als einen Gast ihres Hotels. Vier königliche Tage zum Nulltarif. Ich bekomme sogar eine Führung durch das Haus. Eine schöne Repräsentantin desselben zeigt mir die Thomas-Mann-Suite und einige andere interessante Refugien in diesem Riesenbau. Ja, sie heißt Thomas-Mann-Suite, der Mann hat hier übernachtet. Mann, der Emir und Ich. Ein prächtiges Triumvirat. Die Anwesenheit des Emirs ist, nebenbei bemerkt, ein großes Geheimnis. Ich sollte davon nichts wissen. Als ich einen Hotelbedienstesten darauf anspreche, fragt er:
    »Woher wissen Sie das?« Und dann:
    »O Gott, habe ich es Ihnen jetzt verraten?«
    Nein, sage ich, der Emir und ich, wir sind Busenfreunde!
    Das Heilige Dreieck erweitert sich, als ich einen vierten Mann kennenlerne: Patrick Bittner. Ein Mann ganz nach meinem Geschmack. Ein Chef. Der Küchenchef des französischen Hotelrestaurants. Nicht bloß ein Chef, sondern auch ein Läufer. Dieser Mann, ob man es glaubt oder nicht, ist jeden Tag 25 Kilometer unterwegs. Nicht in seinem Auto, nicht auf seinem Motorrad und auch auf keiner Jacht. Sondern auf seinen Beinen.
    Werter Patrick, was ist Ihr Motto? Irgend etwas, wofür Sie gerne in Erinnerung bleiben würden?
    »Essen ist wie Frauen. Man muß es mit Respekt behandeln.«
    Großartig. Kraft der mir von Zeus verliehenen Autorität befehle ich Ihnen, mir folgende Frage zu beantworten: Wenn ich Ihnen nur eins von beidem gestatte, Essen oder Frauen, was würden Sie wählen?
    »Das Essen.«
    Wenn Sie ein Gericht zubereiten, unterhalten Sie sich mit den Speisen und fragen sie um Rat? Sprechen Sie mit dem Essen?
    Zeus allein weiß, wie mir diese Frage in den Sinn kommt. Patrick aber, schau mal an, versteht sie.
    »Ja, das tue ich.«
    Es gibt 41 Suiten in diesem Hotel. Falls Sie interessiert sind: Die Präsidentensuite ist für 4600 Euro die Nacht zu haben. Und Patricks Restaurant, was Sie wohl kaum erschüttern dürfte, ist das teuerste

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