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Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuvia Tenenbom
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hier in der Gegend. Ein Dinner für zwei wird Sie rund 400 Euro kosten. Letzte Nacht, verrät mir ein Angestellter ein kleines Geheimnis, kam eine Gruppe von zehn Leuten zum Abendessen, die am Ende 3000 Euro daließen.
    Welche Speisen, fragen Sie sich vielleicht neugierig, lassen sich wandelnde Banken schmecken? Nun ja, gute. Ich weiß es, weil ich sie probiert habe. Geschenk von Patrick.
    Kein Wunder, daß der Emir von Katar hier speist.
    So wie Oscar. Kennen Sie Oscar? Oscar ist ein reicher, ein schwerreicher Mann, flüstert mir ein Hotelangestellter ins Ohr. Oscar hat das Spiel gesehen und Deutschlands Niederlage miterlebt. Die hat ihn so bestürzt, daß er sich jetzt die Kante geben muß. So ist er im Restaurant des Frankfurter Hofs aufgetaucht, teuer gekleidet, allerdings ohne Schuhe. Die ihm unterwegs abhanden gekommen sind. Irgendwo. Mit Niederlagen können die Reichen nicht gut umgehen, scheint mir.
    Wie hat er es geschafft, heil hierherzukommen?
    »Das hier ist mein Zuhause«, sagt er. »Nirgendwo ißt man so gut wie hier.«
    Ich gehe vor die Tür, um eine Zigarette zu rauchen. Drinnen ist das Rauchen schließlich verboten. Wie in Dachau. Da kommt ein hochgewachsener Mann vorbei, nicht weit von dem überdimensionalen Euro-Symbol und der Europäischen Zentralbank entfernt. Er muß in seinen Fünfzigern oder Sechzigern sein und wirkt wie ein Durchschnittsverdiener. Plötzlich aber bleibt er bei einem Abfallbehälter stehen. Er angelt leere Flaschen heraus und verstaut sie in einer Plastiktüte.
    Ein Mann, der ganz unten angekommen ist.
    Der Kontrast zwischen diesem Unbekannten und Oscar, zwischen Reich und Arm, ist kaum auszuhalten.
    Bin ich in einem Traum?
    Wo bin ich?
    Wann werde ich erwachen?
    Und wo?
    Im Frankfurter Hof, natürlich. Es gibt hier einen Frühstücksmanager. Was ich bislang nicht wußte. Er kennt mich übrigens. Er weiß so ziemlich alles über mich. »Sie waren beim Friseur«, bemerkt er, während ich an meinem morgendlichen Beerensaft nippe. Ich bin überrascht. Woher kennt er meine diesbezüglichen Gewohnheiten? Ist er ein enger Freund von mir und ich habe es nur vergessen? Ein Verwandter, von dem ich nichts wußte? Ein stiller Teilhaber meiner Geschäfte, von Goldman Sachs oder irgendeiner jüdischen Medienholding, der sich endlich zu erkennen gibt? Nein, nichts von alldem. Er ist ein Steigenberger Frankfurter Hof-Manager. Und Steigenberger Frankfurter Hof-Manager, die Welt sei mein Zeuge, kennen ihre Gäste. Sie bekommen jeden Morgen eine Who-is-Who-Liste mit Fotos, um sich auf die geschätzte Kundschaft vorzubereiten.
    Nein, keine Sorge: Die Mitarbeiter von Steigenberger Frankfurter Hof sind nicht die CIA.
    Sie sind besser.
    Hätte die US-Regierung den Frankfurter Hof konsultiert, bevor sie in Irak oder Afghanistan einmarschierte, hätte sie ein Vermögen sparen können.
    Ich sitze jetzt seit Stunden hier und mache mir dumme Gedanken dieser Art, während ich unentwegt bedient werde und unentwegt esse. Meine ganze Welt dreht sich jetzt um Geschmack und Service. Und von beidem immer mehr.
    Zu jedem Fisch gibt es einen eigenen Wein, habe ich gestern gelernt. Und zu jedem Bissen beim Frühstück gibt es ein eigenes Getränk, lerne ich heute.
    Ich lerne gerne!
    Abdul ist mein nächster Lehrer. Er sitzt draußen, mein neuer reicher Kumpel Abdul, und genießt eine Zigarette.
    Abdul interessiert sich sehr für Politik. Das geht ja manchen so. Er kommt aus Kalifornien und liest viel über den Nahen Osten. Was so ziemlich das letzte Thema ist, über das ich heute diskutieren wollte. Abdul aber schon.
    »Ich schätze Ministerpräsident Netanjahu«, sagt Abdul. »Er ist ein starker Führer, und in dieser Gegend braucht man starke Männer.«
    Ich bin jetzt schon eine Weile in Deutschland, habe aber noch niemanden auch nur annähernd so reden hören. Was ist los mit Abdul?
    Ich versuche, ein Gespür für den Mann zu kriegen. Äußerlich gleicht er Präsident Obama. Wortgewandt, von dunkler Hautfarbe, elegant gekleidet und von klugem Eigensinn.
    Sie heißen Abdul?
    »Ja, so heiße ich.«
    Sie müssen der einzige Abdul auf dem Planeten sein, der so denkt. Was bringt Sie dazu –
    »Schauen Sie«, unterbricht Abdul mich. »Ich habe zwei Cousins im Nahen Osten. Der eine Jude, der andere Araber. Manchmal hat der eine Cousin recht, manchmal der andere. Dieses Mal hat dieser Cousin recht, der jüdische. Um dort zu überleben, muß man taff sein.«
    Wird unser Denken zum Großteil davon bestimmt, wo wir

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