Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
wie auch immer die eigentlich heißen. Thomas wurde abkommandiert, um mir bei etwaigen Fragen weiterzuhelfen.
»Weil wir Deutsche sind«, antwortet er.
Der arme Thomas, mit einer solchen Frage hat er nicht gerechnet. Ich schätze, er würde am liebsten gleich wieder gehen.
»Ich treffe Sie nach der Tour, wenn das okay für Sie ist«, sagt er.
Ist es, klar.
Die Tour beginnt. Hier machen sie die Motoren für die A-Klasse. Heute müssen 711 Motoren gebaut werden. In diesem Augenblick, um 12.54 Uhr, sind 291 fertig. Sie haben bis 23.00 Uhr Zeit, um den Rest zusammenzuschrauben. Keine Roboter in diesem Teil der Fabrik, nur Menschen. Roboter sind nicht Teil der Tour. Zu schade.
Keine Ahnung, wie es sonst in diesem Werk aussieht, dieser Teil jedenfalls erinnert mich an die Bilder vom Beginn der industriellen Revolution. Äußerst deprimierend, kurz gesagt. Der Boden ist erwartungsgemäß sauber, aber wirklich häßlich. Und das gilt auch für alles andere, was man hier sieht.
Ebenfalls interessant: Im Unterschied zum BMW-Werk finden sich hier keine Arbeiter mit Kaffeebechern. Ich betrachte einige dieser nicht eben gutgelaunten Gesichter.
Arbeiten Sie gerne hier, macht Ihnen Ihr Job Spaß? frage ich zwei junge Arbeiter.
»Nicht besonders«, lautet die Antwort. »Aber was will man machen? Man muß halt arbeiten.«
»Rauchen ist in den Montagestätten und Büros verboten«, sagt Manfred, »Alkohol ebenfalls. Man kann im Werksladen auch keinen Alkohol kaufen.«
Thomas von der Mercedes-Benz Kundenkommunikation bestätigt, daß hier aus den üblichen Gründen kein Alkohol gekauft werden kann. Es gibt jedoch noch einen weiteren Grund, fügt er hinzu.
Und welcher wäre das?
Das Unternehmen möchte die religiösen Empfindungen einiger seiner Mitarbeiter nicht verletzen, deren Religion Alkohol verbietet.
Dies zu einem Grund dafür zu machen, daß man keinen Alkohol verkauft, ist eine extreme Form politischer Korrektheit.
Je länger ich in diesem Land bin, desto stärker beschleicht mich das Gefühl, daß diese Gesellschaft zu extrem ist. Ich muß darüber nachdenken, aber nicht jetzt. Jetzt muß ich mit Thomas sprechen.
Wie kommt es, daß ich in Ihrem Werk keinen Arbeiter habe Kaffee trinken sehen? Bei BMW habe ich gesehen, wie etliche der Arbeiter Kaffee tranken –
»Wir bezahlen die Arbeiter nicht dafür, Kaffee zu trinken.«
Ich liebe kurze, klare Antworten. Jetzt kenne ich immerhin den Unterschied zwischen MB und BMW.
Was würden seiner Meinung nach die Arbeiter auf meine Frage antworten?
»Ich verstehe die Frage nicht. Ich arbeite für Geld, nicht um mich zu vergnügen. Unser Ziel ist hundertprozentige Qualität.«
Also macht es Ihnen nichts aus, wenn die Arbeiter nicht glücklich sind?
»Mir? Nein.«
Während unseres Gesprächs kommt ein gutgekleideter Mann vorbei, und Thomas rutscht nervös auf seinem Stuhl hin und her. Der Mann heißt Volker Stauch, läßt Thomas mich wissen, und hat hier 17000 Beschäftigte unter sich. In Stuttgart ist er der Boß. Sein offizieller Titel lautet »Leiter des Bereichs Produktion Powertrain Mercedes-Benz Cars«. Er ist für das hiesige Werk und einige andere in diesem großen Land verantwortlich.
Ob er Zeit für einen kleinen Plausch mit mir hätte?
Aber gerne. Topleute lieben Journalisten.
Eine Ausstellung hier listet diverse Meilensteine der Firmengeschichte auf. Im allgemeinen steht auch das entsprechende Datum bei dem Ereignis. Mir ist aber aufgefallen, daß ein Datum nicht aufgeführt ist, nämlich wann dieses Unternehmen Entschädigungszahlungen an Zwangsarbeiter aus dem Zweiten Weltkrieg geleistet hat. Ich frage Volker, ob er das Datum kennt.
Er reagiert ziemlich emotional: »Meine Mutter lebte damals in Polen und verlor ihr Zuhause. Zu jener Zeit war das Deutschland. Das ist, was mich interessiert. Das ist MEINE Geschichte. Dafür interessiere ich mich. Sie hatte einige unschöne Nächte mit russischen Soldaten!«
Wissen Sie, wann das Unternehmen Entschädigungen an seine Zwangsarbeiter zahlte?
»Ich weiß, daß das Unternehmen Leute beauftragt hat, ein Buch über das zu schreiben, was hier geschah, aber ich kenne die Details nicht.«
Er ist ein emotionaler Typ, Volker. Er liebt seine Mutter.
Ich muß meinen Halb und Halb in Hamburg fragen, ob die Italiener auch so reden.
Ich bleibe eine Nacht in Stuttgart und fahre dann nach Frankfurt, der Kapitale der Kapitalisten wider Willen.
Kapitel 14 Aus dem hervorgeht, wie der Emir von Katar mein Freund
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