Alleinerziehend mit Mann
ungläubig den Kopf.
»Doch!«, strahlt Marion.
»Und Stefan?«, frage ich, mich nervös umsehend. Wir stehen immerhin in einem Kindergarten!
»Der wird nichts erfahren! Und dem tut es doch bloß gut, wenn es mir gutgeht. Da bin ich doch viel entspannter, mit ihm und den Kindern!« Marion schaut auf die Uhr. »Jetzt muss ich aber schnell machen. Danke noch mal fürs Alibi!«
Marion eilt zum Auto. Ich hebe das Fahrradschloss auf, bleibe wie angewurzelt stehen und sehe ihr nach, wie sie ausparkt, einen Kuss ins Handy haucht und abrauscht.
Ich denke an Marion. In jeder Arbeitspause, beim Kochen, bei der Hausaufgabenbetreuung, beim Einschlafen vor dem Fernsehfilm, beim Streit der Kinder um den Platz am Frühstückstisch.
Marion hat einen Liebhaber! Allmählich kann ich das gehörte Geschehen in Worte fassen. Marion hat einen Lover!
Aber warum bin ich wie traumatisiert, weil Marion einen Liebhaber hat? Bin ich als Mutter auch noch zu einem Moralapostel geworden? Ich merke, wie ich Begegnungen mit Marion zu vermeiden versuche, Eva extra früher in die Kita bringe.
Wie zum Teufel kommt Marion zu einem Liebhaber? Wie schafft sie es verdammt noch mal, neben Job, Mann und drei Kindern auch noch einen Lover zu haben? Nichts auf der Welt würde mich abends um zehn noch von der Fernsehcouch weglocken. Ich will doch nur ins Bett. Nur ins Bett? Bett! Was für verschiedene Bedeutungen dieses Wort doch hat!
Das also ist der Haken an dieser perfekten Person! Sie ist skrupellos und betrügt einfach so ihren Mann! Der Künstler Stefan, der sich doch so rührend um die Kinder kümmert und sie bisweilen sogar in die Schule und in die Kita bringt, ist doch ein armes Schwein, ein Gehörnter. Was hat mein Mann doch für ein Glück mit mir. Ich bin eine treue und treusorgende Mutter! Ich kuschle mich an Alex, als die Kinder endlich im Bett sind. Alex dreht sich zur Seite, so könne er nichts in der Glotze sehen. Und überhaupt würde er ohnehin lieber auf Fußball umschalten, wir seien nun ja schon so lange zusammen, dass er da ganz ehrlich sein könne. Alex legt die Schlafanzugbeine über meine. Er zappt durchs Programm und landet beim Fußball, weil alles andere entschieden langweiliger ist. Und er beginnt, den Spielverlauf ununterbrochen zu kommentieren. Wo ist jetzt eigentlich Marion? Was macht sie gerade? Gott, wie ich sie beneide!
Ich springe auf. »Liebling, Scheiße, ich hab vergessen, dass ich mit Marion verabredet bin! Es geht ihr so schlecht, ich muss sie trösten!«
Alex sieht kurz auf. »Ist was passiert?«
Ich zucke mit den Schultern. »Keine Ahnung!«
Alex fragt nicht weiter, die Männer auf dem Rasen interessieren ihn mehr.
Und wenn ich morgen tot bin – ich dusche, ziehe die flottesten Klamotten an und rufe heimlich Marion auf dem Handy an, ob sie mit mir ausgehen könne, mir ginge es so schlecht. Klar, Marion ist sofort dabei. Ein Glück, dass sie heute keine andere Verabredung hätte. Klar, gerne käme sie, dafür sind wir doch Freundinnen, dass wir füreinander einstehen. Sie hätte außerdem schon befürchtet, ich würde eine moralische Keule über ihr schwingen.
»Nichts liegt mir ferner«, versichere ich ihr, sehe noch mal nach, ob Lukas und Eva tatsächlich schlafen, und radle zur neuen Szenenkneipe, die Marion vorschlug.
»In Kneipen lernt man keine guten Männer kennen!«, kommentiert Marion meinen Ausflug. Ihrem Liebhaber sei sie im Supermarkt an der Kasse mit drei brüllenden Kindern begegnet. Aha. Immerhin aber ist die neue Szenekneipe von Leuten meines Alters besetzt. Und beim Verlassen des Ladens grinst mich doch tatsächlich einer an und drückt mir seine Karte in die Hand.
Mit zwei Cocktails intus radle ich heim und weiß: Ich brauche keinen Lover. Aber ich muss wieder wissen, dass es sie noch gibt, diese Welt da draußen – am Abend, ohne Mann, ohne Kinder, nur für mich. Die Visitenkarte werde ich deshalb ins Fotoalbum kleben, gleich neben den Bildern von Evas Geburtstagsfeier. Nein, viel besser, ich kaufe heute ein neues Album und beginne ab sofort mit dem Sammeln von Visitenkarten.
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12. Erste Hilfe
W enn Sie dringend eine oder zwei Stunden für sich brauchen, funktioniert folgendes Mittel erfahrungsgemäß ganz gut: Ein Freund (unbedingt männlich!) hätte Ihnen neulich erzählt, dass neueste wissenschaftliche Studien eindeutig schlüssig beweisen, dass es für die gesunde körperliche und geistige Entwicklung von Kindern (vor allem bei Jungs) unabdingbar ist, wenn der
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