Alleinerziehend mit Mann
besuchen und mich andere Mütter fragen: »Bist du auch in der 3 a?«
Ich lerne Marion im Park kennen. Sie sitzt auf einer Parkbank, schaukelt mit einer Hand den Kinderwagen und telefoniert mit der anderen mit dem Handy. Neben ihr liegt ein dicker Time-Planer, und sie macht sich darin Notizen. Marion ist Managerin und hat das seltene Glück, dass ihr Boss eine Frau (mit erwachsenen Kindern) ist und sie ganz offen sagen kann, die Kinder hätten Bronchitis oder Mittelohrentzündung. Der Boss nickt, der weibliche Boss weiß, dass Marion die Arbeit dann ebenso gut von daheim aus erledigt oder Nachtschichten einlegt.
Marion hat nun drei Kinder und einen Manager-Job. Sie hat aber auch einen Mann, der Bilder malt, nichts verdient und deshalb auch schon mal Tage (ja, Tage!) nacheinander mit den Kindern verbringt – vorausgesetzt, sie sind nicht krank. Marion ist außerdem hilfsbereit und zuverlässig und schafft es, neben ihren Kindern auch mal meine zu betreuen, wenn die Schule um zehn Uhr hitzefrei bekanntgibt oder die Kita wegen Krankheit der Erzieherinnen geschlossen hat. Umgekehrt kennen ihre Kinder auch unseren Haushalt gut, wir wohnen nur zehn Gehminuten voneinander entfernt. Es erleichtert die Organisation ungemein, und zudem ist es ja bekanntermaßen ohnehin pädagogisch ungemein wertvoll, wenn Kinder auch andere Familienstrukturen kennenlernen. Über kleine Erziehungsdifferenzen sehen wir großzügig hinweg. Im Vergleich zu den eigenen Männern sind pädagogische Meinungsverschiedenheiten ohnehin lächerlich gering.
Marion kann auf dem Weg zum Kindergarten noch eine vergessene Brotzeit für meine Tochter improvisieren, Marion bietet mitten im Toben aller fünf seelenruhig einen Kaffee an. Marion überlegt zudem nicht nur, eine Mütterpartei zu gründen, sondern schreibt auch schon an dem Programm. Kurzum: Die Freundschaft mit Marion ist so ein Glücksfall im Leben, wie ihn nur Mütter wirklich zu schätzen wissen.
Eben rief Marion an, ob ich ihr heute Abend ein Alibi geben könnte. Mir ginge es so schlecht, und wir würden deshalb ausgehen, sie müsse mich trösten. Wie jetzt? Ja, mir geht es wirklich nicht besonders, aber ich bin doch viel zu müde zum Ausgehen. Außerdem, wohin überhaupt? Sind die alten Kneipen nicht längst von Leuten besetzt, die meine Kinder sein könnten? Marion seufzt. Nein, sie hätte doch gesagt, es ginge nur ums Alibi. Wofür braucht Marion ein Alibi? Will sie einbrechen? Ihre Erbtante umbringen? Unsinn! Will sie heimlich einen Wellnessabend genießen? Unsinn! Dafür bräuchte
ich
ein Alibi, aber doch nicht Marion. Marion druckst herum. Sie würde es mir morgen früh erklären, ob ich auch um neun Eva in die Ini bringen würde? Natürlich. Ich bringe Eva immer in die Ini, im Gegensatz zu Marion, die dort nur in neunzig Prozent der Fälle auftaucht. Ihren Mann sehe ich zwar nur selten, weil der immer erst gegen zehn Uhr auftaucht, wie die Erzieherinnen klagen, und damit immer den ganzen Ablauf stört. Aber Marions Mann taucht überhaupt ab und an dort auf, und ich bin ihm auch schon begegnet. Einmal war er sogar auf einem Elternabend. Beneidenswerte Marion! Wobei Marion sagt, dies liege ursächlich nur daran, dass ihr Mann kein Geld verdient. Mit jedem verkauften Bild steige proportional das Verweigern von Kinderbetreuung und Haushaltserledigungen. Einmal verkaufte ihr Mann eine ganze Bildserie, da ward er Monate nicht mehr in der Kita gesehen.
Ich gebe Marion natürlich ein Alibi. Den ganzen Abend werde ich nicht ans Telefon gehen. Meinem Mann muss ich gottlob sowieso nichts erklären, der ist ohnehin noch im Büro. Für Freundinnen stehe ich ein, ganz egal, warum und wieso. Und vor allem für Freundinnen wie Marion.
»Ach, war das ein schöner Abend gestern mit dir!« Marion grinst von einem Ohr zum anderen, während wir den Kindern die Jacken in der Kita ausziehen und ich eigentlich anregen wollte, dass die Kleinen endlich lernen sollten, sich selbst zu entkleiden. Marion sieht umwerfend sexy und frisch aus. Die Augen strahlen. Meine neugierige Nachfrage zu gestern gehört entschieden vertagt. Wer will so ein Glück schon stören! Wellness? Oder das glückliche Gesicht einer Frau, die bald in den Genuss eines Erbes kommt?
»Er heißt Andreas. Oh, war das schön! Ich fühl mich endlich wieder als Frau und nicht bloß als Mutter!«
Mir fällt das Fahrradschloss aus der Hand. Marion schwebt neben mir.
»Sag bloß …« Ich setze den Satz nicht fort, schüttle
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