Alleinerziehend mit Mann
Tomatensoße«, erklärt Alex weiter.
»Jetzt komm schon, einmal können wir doch eine Ausnahme machen«, überlege ich laut. Wenn ich bloß an diesen völlig überteuerten Preis denke, dann möchte ich heute auch zur Abwechslung ein anderes Gericht.
»Du weißt, wie schnell Ausnahmen zur Regel werden«, meint Alex, prüft noch einmal das Kapernglas und entscheidet sich dann doch für Nudeln mit Tomatensoße.
Drei Tage später habe ich den Gorgonzola und die Kapern gegessen, aber das Grundproblem nicht behoben, im Gegenteil. Weil ich in der Mittagspause keinen bezahlbaren Essig ohne Daumen nach unten auftreiben konnte, hetze ich wieder mit Eva und Lukas durch einen Laden, durch einen Biosupermarkt. Für ihre Geduld kriegen die Kinder eine Bio-Limo und Bio-Chips versprochen, bei denen ich dieses Mal kein schlechtes Gewissen haben muss, weil wir ja im Ökomarkt sind. Aber der Essig ohne Zusatzstoffe kostet das Sechsfache eines herkömmlichen!
»Also wenn du so weitermachst, dann können wir den Urlaub heuer vergessen!«, meint Alex mit Blick auf den Balsamico-Essig. »Was wir in letzter Zeit für Lebensmittel ausgeben!«
»Jetzt hör mal!«, erwidere ich, und die Kinder werfen uns fragende Blicke zu, ob jetzt ein Streit ausbricht. »
Du
bestehst doch auf Lebensmittel ohne Zusatzstoffe!«
»Aber nicht zu jedem Preis!«, meint Alex. »Da muss man abwägen!«
Mein Mann meint mit »abwägen« vermutlich: in verschiedene Läden gehen, Preise und E-Nummern vergleichen, vielleicht noch via Handy die Kaufentscheidung diskutieren, um so endlich nach ein paar Stunden ein Glas Kapern oder eine Flasche Essig zu erstehen. Mit Blick auf die Kinder antworte ich ruhig: »Dafür habe ich keine Zeit. Kannst du dich bitte demnächst nach einem Essig umsehen?«
»Wann denn? Du weißt doch, wie schwer ich früher aus dem Büro rauskomme!«
Ich übe mich in Schweigen.
Die Kinder setzen beruhigt ihr Spiel fort.
Am nächsten Tag bringe ich Altpapier weg.
Am übernächsten Tag stelle ich gekonnt erstaunt fest, dass die Broschüre mit den E-Nummern nicht zu finden sei.
Und am übernächsten Tag gehe ich in der Mittagspause in ein Fast-Food-Restaurant, esse Hamburger mit Pommes und trinke Cola dazu. Im nächstbesten Laden kaufe ich danach noch für die Familie ein.
Ich nehme mir vor, mindestens einmal die Woche Auszeit von der Gesundheit der Familie zu nehmen – sonst macht mich der Stress noch krank.
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40. Klüfte
E s zeigt sich aber oft eine große Kluft zwischen den mentalen Geschlechtsidentitäten der Männer und ihrem praktizierten Verhalten.«
Aha. Ich lese den Satz mehrmals, um ihn für mich zu erschließen. Er steht in einer vom Familienministerium geförderten sozialwissenschaftlichen Studie von Doktor Wippermann und Doktor Calmbach mit dem Titel »Rolle vorwärts, Rolle rückwärts«, die mir eines Tages im Büro zufällig über den Weg läuft.
Die Hauptfrage: Was ist eine »mentale Geschlechtsidentität«? Ist damit gemeint, dass ein Vater es mit sich und seiner Männlichkeit vereinbaren kann, früher aus dem Büro heimzukommen, um den Kindern noch vorzulesen und sie ins Bett zu bringen? Oder meinen die Autorinnen »sanften Sex« bei gleichzeitiger erotischer Stärke? Oder geht es darum, im Rollenbild vielleicht ebenso zu schwimmen wie wir Frauen?
Ich mache eine Kaffeepause und lese den Satz noch einmal. Er erschließt sich mir wieder nicht in seinem wirklichen Ausmaß.
Warum frage ich nicht einfach einen Mann danach, am besten gleich meinen eigenen am Abend?
»Keine Ahnung!«, sagt mein Mann. »Ich hab einen harten Arbeitstag hinter mir. Ich kann nur noch abchillen.«
Ein paar Tage später kommt ein alter Freund, der mittlerweile als Universitätsprofessor der Soziologie Karriere machte, mit seiner »Neuen« zu Besuch.
»Ich habe mich getrennt, weil Renate keine Kinder wollte!«, erklärt er und bewundert das Chaos unseres Haushalts, obwohl ich einen halben Tag vorher mit Aufräumen, Kochen und Aufhübschen verbracht habe.
»Ist ja heute auch alles gar nicht so einfach!«, sagt mein Mann zum Dessert. »Die Achtundsechziger mit ihren Idealen sind gescheitert, die Gesellschaft ändert sich rapid, die Grünen sind mittlerweile indiskutabel.«
Der alte Freund nickt. Die Männer machen eine Flasche Wein auf.
Die Kinder gehen heute sogar ohne Geschrei zum Zähneputzen und ins Bett. Die junge Neue des alten Freundes bewundert, wie wunderbar unspießig doch ein Haushalt mit Kindern auch
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