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Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Alleingang: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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gesprochen. Und darüber, dass er nach seiner Entlassung ein Boot kaufen wollte.«
    Marie schluckte mehrmals und räusperte sich. Sie wollte im Beisein des Fremden nicht weinen. »Er hat sich von der Sparkasse in Greifswald einen Business-Plan erstellen lassen – für ein Ausflugsgeschäft auf Usedom. Es hätte sicher geklappt. Sogar bei der Bank waren sie zuversichtlich. Natürlich hätten wir eigenes Kapital gebraucht – aber das Geld, das nach Afghanistan übrig geblieben wäre, hätte dafür gereicht.«
    Zum ersten Mal dachte Marie an ihre finanzielle Situation. Wenn Karl tot war, kam auch kein Sold mehr. Sie musste wieder arbeiten gehen. In die Rostocker Werbeagentur würde sie nicht mehr zurückkehren können. Aber vielleicht fand sich was auf Usedom, sie konnte es in den Fremdenverkehrsbüros versuchen. Wahrscheinlich zahlte die Bundeswehr auch eine Rente. Aber Marie ahnte schon, dass das alles nicht ausreichen würde, den Kredit für das Haus abzubezahlen. Es würde schwierig werden. Das Haus wollte sie nicht aufgeben. Schon allein wegen Felix nicht.
    »Der Selbstmordanschlag ist an dem Tag passiert, an dem ich zurückgeflogen bin. Nicht einmal einen Kilometer von unserem Stützpunkt entfernt. Wir hörten die Detonation bis in unsere Baracken. Es war eine riesige Bombe. Versteckt in einem Kleintransporter. Im Umkreis von sechzig, siebzig Metern war alles zerstört. Karl hat nichts mehr davon bemerkt. Er muss sofort tot gewesen sein.«
    Marie nickte. Sie riss sich zusammen.
    Gunter zog ein flaches Päckchen aus der Jackentasche und legte es auf den Tisch. »Deshalb bin ich hier.«
    Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.
    »Was ist das?«
    »Das ist von Karl. Er hat es mir kurz vor seinem Tod gegeben. Für Sie.«
    Marie nahm das Päckchen und befühlte es. Es enthielt etwas Hartes. »Sie können es ruhig öffnen«, sagte Gunter und lächelte.
    Irgendwie erschien die Situation Marie absurd. Als handelte es sich bei dem Mitbringsel um einen Scherzartikel. »Aber Karl ist … tot.«
    Das schien Gunter jetzt erst wieder einzufallen. Er wippte mit dem Oberkörper nach vorne. »Dass er sterben würde, wusste er ja nicht, als er mir das da gegeben hat.«
    Marie riss das Päckchen auf. Es enthielt einen schmalen Schuber aus Plexiglas. Marie klappte ihn auf. Eine CD.
    »Das tun viele da unten. Die Soldaten haben zusammengelegt und sich bei den Amerikanern eine Kamera gekauft. Damit machen sie Filme.«
    »Filme?«, fragte Marie ungläubig.
    »Grußbotschaften. Für die Lieben zu Hause.« Gunter grinste. »Ist doch schön so was, oder? Sie haben sicher einen Computer. Heutzutage kann jeder Computer das abspielen.«
    Felix benutzte den Computer von Karl. Marie kannte sich nicht sonderlich gut damit aus.
    »Haben Sie ihn gefilmt, als er …«
    Gunter schaute wieder unsicher zur Seite, die Frage machte ihn verlegen. »Solche Botschaften sind manchmal sehr … persönlich. Vielleicht sogar intim. Deshalb wurde es so eingerichtet, dass der Betreffende alleine mit der Kamera ist.«
    »Verstehe«, sagte Marie und drehte die CD in der Hand.
    »Soll ich Ihnen zeigen, wie man das Ding abspielt?«
    Nein. Das würde Marie schon hinbekommen. Sie hoffte es jedenfalls.
    »Ich komme schon damit klar«, sagte Marie und steckte die CD in den Schuber zurück.
    »Ich helfe Ihnen gerne.«
    Hatte der Mensch denn gar kein Gespür? »Danke. Aber ich möchte das alleine machen.«
    Immerhin – er wurde rot. »Ja, dann werde ich mich mal wieder auf den Weg machen.«
    Marie brachte ihn zur Tür. Er tat ihr plötzlich leid. Gunter konnte ja nichts dafür, dass sie eben erst von Karls Tod erfahren hatte.
    »Vielen Dank für Ihren Besuch«, sagte sie und reichte ihm die Hand. Er griff geradezu panisch danach. »Ich komme gerne wieder – falls Sie mich brauchen.«
    Marie zog ihre Hand zurück. »Dann melde ich mich.«
    Da fiel es ihr ein. »Sagen Sie – warum haben Sie sich als Gemeindepfarrer ausgegeben?«
    »Tut mir leid, meine kleine Flunkerei.«
    »Eine Flunkerei würde ich das nicht nennen. Sie waren doch selbst in Kundus und wissen, dass die Angehörigen der Soldaten Angst vor Anschlägen in Deutschland haben.«
    »Ja, das weiß ich. Aber ich wollte Ihnen keine Angst einjagen. Ich wollte bloß …« Er wirkte wie ein kleiner Junge, der bei einem Streich erwischt worden war und zur Rede gestellt wurde. Marie fragte sich, wie ein Mann wie Gunter in Kundus klarkam und was die Soldaten von ihm hielten. Sie war sich sicher, dass Karl

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