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Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Alleingang: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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vereint.«
    Karl hob seinen Arm und tat so, als wische er sich mit dem Ärmel Schweiß von der Stirn. Marie aber sah, dass er gegen die Tränen kämpfte.
    Als er wieder in die Kamera blickte, brach das Video ab.

5.
     
    Marie fühlte sich, nachdem sie Karls Botschaft erhalten hatte, stärker als vorher. Er hatte ihr zwar nicht verständlich machen können, was kurz vor seinem Tod mit ihm geschehen war. Aber er hatte etwas erweckt, was verschüttet gewesen war. Marie war Karl wieder näher. Sie wollte in seinem Sinne handeln. Nun war ihr klar, was geschehen musste.
    Marie holte Felix vom Sportplatz ab. Sie fuhren zusammen nach Hause und stellten die Räder ab. Der Junge wollte sofort an den Fernseher. Auf irgendeinem Kanal lief seine Lieblingsserie.
    Doch Marie nahm ihn an der Hand und ging mit ihm in die Dünen.
    Felix konnte zickig werden, wenn sie ihm das Fernsehen verbot. Diesmal protestierte der Junge mit keinem Wort. Er schien zu spüren, dass es ernst war.
    Am Strand blieb Marie stehen. Sie gebot Felix mit einer knappen Geste, sich mit ihr im Sand niederzulassen. Felix gehorchte.
    Der Junge zog die Knie an und lehnte die Unterarme darauf. Er schmiegte sich an sie.
    Plötzlich kam ihr das Kind wieder sehr klein und hilflos vor. Viel zu hilflos für das, was ihm zugemutet wurde. Marie fühlte die Last, die auf ihren Schultern lag. Jetzt wurde ihr klar, was der Tod Karls wirklich bedeutete: Dass sie dafür sorgen musste, dass es dem Kind gut ging.
    Sie musste ihm sagen, dass sein Vater tot war.
    Felix tat ihr so leid, dass alles in ihr schmerzte. Er blickte aufs Meer und ahnte nichts von dem Unheil, das auf ihn zukam. Sie musste ihn davor bewahren, erdrückt zu werden.
    Wie sollte sie das schaffen?
    Marie wurde es schwindelig.
    Felix nahm ihre Hand. »Mama, was ist?«
    »Papa …« Jetzt erst bemerkte sie an ihrer Stimme, dass sie weinte. Wie sollte sie so dem Jungen helfen?
    »Hat Papa einen Unfall gehabt?«
    Felix klang sehr überrascht. Wie bei der unvorhergesehenen Wendung eines Fernsehfilms.
    Marie nickte. Sie suchte ein Taschentuch, um sich die Nase zu putzen. Nicht einmal daran hatte sie gedacht. Und sie wollte einem Kind helfen, das seinen Vater verloren hatte.
    Sie tat etwas, was sie hasste: Sie schnäuzte ihre Nase zwischen Daumen und Zeigefinger ins Schilfgras.
    Felix schaute ihr dabei zu. Er grinste. »Darf ich das auch?«
    »Meinetwegen«, antwortete sie.
    Felix tat es – obwohl es bei ihm nichts zu schnäuzen gab. Es schien ihm Spaß zu machen.
    Sie drückte die Hand, die nicht mit seiner Nase beschäftigt war. »Felix, Papa ist …«
    »Autsch!« Er zog seine Hand aus der ihren. »Du tust mir weh.«
    Sie holte sie sich wieder. Ohne ihn festzuhalten, konnte sie es unmöglich sagen. »’Tschuldigung. Lass mich deine Hand halten. Es ist so schwierig …«
    »Was?«
    »Es gab einen Anschlag. Papa war dabei. Er ist getroffen worden.«
    Der Junge war ganz still. Er rührte sich auch nicht mehr.
    »Papa ist … tot.«
    Der Junge hob den Kopf. Er schaute sie an. »Quatsch!«
    Marie schwieg. Sie schaute ihm in die Augen. Sie waren ganz rein, ganz klar. Sie konnte nicht die Spur einer Verunsicherung erkennen. Der Junge glaubte an seinen Vater.
    Sie hob seine kleine Hand zu den Lippen und küsste den Handrücken. Er ließ es geschehen.
    »Es ist aber so: Papa ist bei dem Anschlag umgekommen.«
    »Woher willst du das denn wissen?«
    »Die beiden Männer, die da waren, haben es mir gesagt.«
    »Und du glaubst ihnen?«
    »Ja.«
    »Und woher wollen die das wissen? Die sind doch gar nicht in Afghanistan …« Diesmal ging ihm das schwere Wort ganz einfach über seine Lippen. »Die sind doch bloß in Berlin. Auf der Schreib … Schreibstube.« Das Wort hatte er bei Karl aufgeschnappt, der oft abfällig über die Leute aus der Verwaltung gesprochen hatte.
    »Sie haben es von ihren Kameraden aus Kundus gehört. Sie haben mit ihnen telefoniert. Man hat es ihnen gesagt. Und sie haben es uns gesagt.«
    Felix machte sich los und sprang auf. »Ich glaube dir kein Wort.« Er rannte zum Wasser. Dort begann er, Steine zu sammeln.
    Marie erhob sich schwerfällig. Ihre Beine taten weh.
    Sie sah ihrem Sohn zu, wie er die flachen Steine auf der Wasseroberfläche tanzen ließ. Das hatte er von seinem Vater gelernt. Marie trat den Rückweg an.
     
    Felix traf etwa zehn Minuten nach ihr zu Hause ein. Er lief die Treppe hoch und schlug die Tür seines Zimmers hinter sich zu.
    Marie fand, dass das eine zu erwartende Reaktion auf

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