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Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Alleingang: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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seine blauen Stulpen von Hansa Rostock über die Waden gezogen und saß nun auf der untersten Treppenstufe, um die Fußballschuhe zu schnüren.
    Marie hätte kontrollieren müssen, ob Felix seine Hausaufgaben ordentlich gemacht hatte. Aber sie wollte ihn so schnell wie möglich aus dem Hause haben. Deshalb half sie ihm sogar noch beim Schnüren der Schuhe und brachte ihn zur Tür. Dabei konnte sie gleich nachschauen, ob der Wagen des falschen Pfarrers irgendwo parkte. Als sie ihn nicht entdeckte, verabschiedete sie Felix und wartete, bis er mit dem Fahrrad in die Dorfstraße eingebogen war. Dann eilte sie ins Haus zurück.
    Marie war fest entschlossen, die Betreuungseinrichtung der Bundeswehr in Neubrandenburg zu informieren. Dieser Gunter Theobald hatte sie nach Strich und Faden belogen. Er hatte ihr Haus belagert und dann versucht, sich unter einem Vorwand bei ihr einzuschleichen.
    Eigentlich hätten die Alarmglocken schon früher läuten müssen.
    Hatten die Instrukteure beim FBZ den Soldatenfrauen nicht immer wieder eingebläut, dass potenzielle Anschlagtäter nicht so aussahen, wie man sich das landläufig vorstellte? Es gab in den islamistischen Terrortruppen genug europäische, ja sogar deutsche Mitglieder, die auf den ersten Blick wie Nachbarn wirkten. So hatte es der Instrukteur in Neubrandenburg ausgedrückt: Wie Nachbarn. Und er hatte gesagt: Sobald jemand, den Sie nicht kennen, versucht, Ihr Haus auszukundschaften oder Kontakt mit Ihnen aufzunehmen, melden Sie das. Sobald jemand bei Ihnen auftaucht und Ihnen Lügen auftischt, melden Sie sich. Sobald jemand, der Ihnen suspekt erscheint, versucht, Ihr Vertrauen oder das Vertrauen Ihrer Kinder zu gewinnen, melden Sie sich sofort. Besser, Sie täuschen sich, als dass Sie sich nach einem Anschlag Vorwürfe machen müssen, Ihre Lieben nicht genügend geschützt zu haben.
    Damals war Marie das etwas großspurig erschienen. Wann hatte man schon von Terroristen gehört, die sich in das Vertrauen ihrer Opfer einschlichen? Die schlugen einfach zu und waren weg – oder tot. Dagegen war man sowieso nicht gefeit. Im Übrigen würden radikale Islamisten nicht bis nach Koserow kommen, hatte sich Marie gesagt.
    Nun aber erschienen ihr die Warnungen der Bundeswehrleute weitsichtig und vernünftig.
    Zum Glück fand sie diesmal die Nummer sofort. Sicher würde es ein paar Stunden dauern, bis jemand nach Koserow kam, der ihr helfen konnte. Bis dahin würde sie die Pistole, die Karl ihr bei seinem Abschied gegeben hatte, griffbereit halten. Felix war, solange er mit der Dorfjugend Fußball spielte, sowieso weit weg und sicher. Niemand würde es wagen, sich ihm auf dem Fußballplatz, wo immer genug Erwachsene waren, zu nähern.
    Da fiel Marie ein, dass sie dem Jungen hätte sagen müssen, dass er nicht mit einem Fremden gehen dürfe. Aber das wusste Felix sowieso. Karl hatte es ihm eingeschärft.
    Sie legte sich noch zurecht, was sie denen in Neubrandenburg sagen wollte. Das würde nicht einfach werden – Marie hatte eine Aversion gegen die Bürokratie der Bundeswehr. Die Leute dort waren meist steif und umständlich.
    Als ihr aber keine Einleitung einfiel, nahm sie einfach den Hörer ab und begann zu wählen.
    Sie hatte gerade die Vorwahl eingegeben, da läutete es an der Tür.
    Felix, dachte sie. Der Junge vergaß immer etwas. Es kam nicht selten vor, dass er auf dem Schulweg noch mal umkehrte, weil er den Ranzen in dem Schuppen vergessen hatte, in dem sein Fahrrad stand. Deshalb begleitete Marie ihn, so oft es ging, bis zur Straße.
    Durch das gelbliche Milchglas der Haustür sah Marie sofort, dass draußen nicht Felix stand. Es war ein Mann. Gunter Theobald.
    Marie verspürte den Impuls, hoch ins Schlafzimmer zu laufen und die Pistole aus der Schublade zu nehmen. Doch dann riss sie sich zusammen. Was konnte der Kerl ihr schon tun? Wenn er plante, sie niederzuschießen, hätte er das längst tun können. Sie hasste es, Angst zu haben. Sie hasste Frauen, die vor Angst wie gelähmt waren. Das gab es bei ihr nicht.
    Sie atmete durch und öffnete die Tür.
    Der Kerl sah nicht glücklich aus. Er wirkte angespannt, hochnervös. Sein Gesicht war fahl, er rieb sich die ganze Zeit die Hände. »Ich dachte, ich muss noch mal nach Ihnen sehen. Wir sollten reden …«
    »Worüber?« Maries Stimme war kalt und klar. Sie wunderte sich, wie beherrscht sie war.
    Gunter biss sich auf die Unterlippe. »Darf ich reinkommen?«
    »Nein!« Marie fand selbst, dass sie etwas zickig klang. »Ich

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