Allem, was gestorben war
genommen hat.«
»Das hab ich auch schon überlegt. Aber sie war kein Typ, der ... na ja, wildfremde Personen mit nach Hause nimmt.«
»Vielleicht war es kein Fremder.«
»Sie wirkte aber auch nicht so, als habe sie gewalttätige Bekannte.«
»Wissen wir, wie unsere Bekannten im tiefsten Innern veranlagt sind?«
Kajsa Lagergren überlegte, wie viele von ihren eigenen Bekannten sie wirklich bis in die tiefste Tiefe kannte.
»Ich hab mich versucht zu erinnern, worüber wir geredet haben. Sie hat Laurelius ja erkannt, meinte ihn zu erkennen.«
»Ich hab deinen Bericht gelesen. Aber die Befragung der Kleinunternehmer hat nichts gebracht.«
»Nein. Ein Unternehmen hatte gerade vor ein paar Tagen dichtgemacht, wir versuchen jetzt, die Besitzer zu ermitteln. Keiner der anderen hatte ein richtiges Schild gesehen, einen Namen.«
»Da können wir uns ja gegenseitig Glück für die Arbeit wünschen.«
»Glaubst du, diese Sache hängt mit dem Mord an Laure-lius zusammen?«
»Ich weiß nicht, wie glaubwürdig das scheint. Aber jemand könnte dich oder Babington da unten gesehen haben, bei den Anglern oder in der Zuckerfabrik . du hast dich ja wohl nicht gerade ins Atelier geschlichen.«
»Das ist unheimlich.«
»Was ist unheimlich?«
»Diese wunderbare Frau könnte verletzt worden sein, weil ich sie besucht habe, weil ich mit ihr geredet habe.«
»So darf man das nicht sehen.«
Ard nahm einen Schluck Kaffee.
»Ich weiß, dass es nicht sehr überzeugend klingt, aber was soll ich sagen? Ich kann auch sagen, dass sie wieder gesund wird . wiederhergestellt wird, heißt das wohl.«
Sie streckte plötzlich die Hand aus und legte sie auf seinen Arm, bevor er den Becher absetzte.
»Was geht hier eigentlich vor, Sten?«
»Ich weiß auch nicht. Wenn Kerstin Johanssons Sache mit Laurelius zusammenhängt, handelt es sich um ein sehr deutliches Signal.«
»Signal?«
»Halt dich raus, haltet euch raus, der Mensch ist ein zerbrechliches Ding und so weiter.«
»Was machen wir jetzt?«
»Ermitteln weiter, suchen nach Laurelius' Frau, reden mit einem dänischen Freund. Und essen den Kuchen auf.«
Ard reckte sich und nahm ihr Stück.
»Wie lange hält man das aus?«
»Diese Überlegungen gehören zum Job.«
»Wie soll da noch das Schöne und Reine im Leben Platz finden?«
»Vielleicht funktioniert es auf diese Weise erst recht.«
»Du meinst, dass man auf diese Weise die Kontraste erst richtig zu schätzen lernt?«
»Wenn es denn immer so große Kontraste sind. Aber okay, vielleicht ist es gelegentlich leichter, gute Momente besser wahrzunehmen.«
»In der Freizeit?«
»Manchmal auch bei der Arbeit.«
Sie verstand, was er meinte. Sie erlebte gerade genau so einen Moment.
Ard erhob sich, Kajsa Lagergren erhob sich, sie nahm das Tablett und stellte es neben einen großen Farn. Sie gingen rechts hinaus und bogen dann im Korridor nach links zum Haupteingang ab.
»Mississippi burning!«
Er sah sie mit einer Falte zwischen den Augenbrauen an. »Ist das ein Anhaltspunkt?«
»»Mississippi burning. So hieß der Film mit Gene Hack-man. Mir ist der Name vorhin nicht eingefallen, aus irgendeinem Grund musste ich die ganze Zeit daran denken.«
18
Jonathan Wide war vor der langen, schweren Zeit bei der Fahndung kurzfristig Assistent im Jugenddezernat gewesen. Es hatte Momente gegeben, da hatte er mit Bedauern auf die Zeit dort zurückgeblickt. Die grobe Ausdrucksweise der jungen Straftäter hatte manchmal einen naiven Charme gehabt, der später auf der Verbrecherlaufbahn verschwand.
Später waren ihm frühere Bekannte wiederbegegnet. Karrieren, die zögernd in Gang gekommen und dann für kurze Zeit auf ihrem Höhepunkt waren.
Meist stammten sie aus kaputten Familien, in Misshandlungen, Alkohol und chaotische Verhältnisse hineingeboren, ständig wechselnde Bezugspersonen und bald gar nichts mehr. Dann kam das Übliche, Schule schwänzen, kleine Vergehen und der Wunsch, so schnell wie möglich groß zu werden, um den Schlägen zu Hause zu entkommen. Alle hatten eins gemeinsam: Sie hassten ihre Kindheit. Manche wollten nicht mehr leben.
Das war nichts Neues. Frustrierend war, dass es immer so weiterging. Generationen von Polizisten würden in fremden Wohnungen fassungslos vor verwahrlosten Kindern stehen, während die Eltern weit weg oder anwesend und trotzdem weit, weit weg waren. Meistens lief ein Fernseher. Wide dachte daran, wie oft er hingegangen war und Apparate abgeschaltet hatte. Fernseher verband er seitdem
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