Allem, was gestorben war
immer mit kaputtem Zuhause, hilflosen Kinderschreien. Im Großen und Ganzen hielt er Fernsehen für eine Beleidigung seiner Intelligenz. Er war davon überzeugt, dass Schweden ein Land werden würde, in dem es sich besser leben ließe, wenn weniger Leute fernsehen würden. Fernsehen war Opium fürs Volk.
Wide brauchte Geld. Wer nicht arbeitet, braucht auch nicht zu essen. Er hatte zwei Aufträge und musste anfangen.
Der Name des Auftraggebers war Erik Nihlen. Er konnte jederzeit anrufen. Jetzt - nach dem späten Frühstück und der dritten Tasse Kaffee.
»Sörmarkers, guten Morgen!«
»Ich möchte Erik Nihlen sprechen.«
»Nihlen - einen Moment bitte.«
»Erik Nihlen.«
»Jonathan Wide hier.«
»Wide! Ich hatte erwartet, eher von Ihnen zu hören.«
»Mir ist was dazwischengekommen. Das bringt der Job manchmal so mit sich.«
»Hm. Hoffentlich haben Sie über das nachgedacht, worüber wir sprachen.«
»Hab ich«, log Wide, »aber ich kann nichts sagen, bevor ich ihn getroffen habe.«
»Ich verstehe. Ich gehe davon aus, dass das so bald wie möglich passiert.«
»Erst einmal muss ich ihn ja haben. Sie haben keine Adresse?«
»Ich hab es noch einmal versucht, aber nichts ... Die Leute, die ich getroffen habe, wollen mir nichts erzählen.«
»Keine neuen . Zwischenfälle?«
»Ob er noch mehr Einwanderern aufs Maul geschlagen hat? Keine Anzeige jedenfalls. Da ist nur noch die Sache mit der Misshandlung, wie nennen die das?«
»Ihr Sohn wird der rechtswidrigen Bedrohung und der Misshandlung verdächtigt.«
»Genau. Er hat einen Somalier geschlagen. Wie viele Milliarden Somalier gibt es auf der Welt?«
»Spielt es eine Rolle, woher das Opfer stammt?«
»Nein, nein, ich hab bloß gedacht.«
»Ich versuche ihn zu finden. Mehr kann ich jetzt nicht sagen.«
»Mehr verlange ich im Augenblick auch gar nicht. Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen.«
Der zweite Auftrag musste warten, vielleicht bis zum nächsten Abend. Er würde alles tun, um die Beobachtung eines untreuen Ehemannes aufzuschieben.
Wide zog ein frisch gewaschenes weißes T-Shirt und dünne Khakihosen an. Das Thermometer am Küchenfenster zeigte bereits 32 Grad. Es war zehn Uhr. Er schwitzte schon jetzt. Er zog dünne Turnschuhe an und steckte die Brieftasche in die Gesäßtasche.
Die Säggatan war leer und still. Er hatte das Bedürfnis, seinen steifen Körper zu bewegen, und beschloss, zu Fuß zu gehen. Vor Bengans Plattenladen blieb er stehen und betrachtete ein Plakat zu der Tournee von Aerosmith und die Werbung für eine neue Platte mit einer Band, von der er noch nie gehört hatte. Er fragte sich, wie das aussehen würde, wenn sie Puccini oder Rossini mit derselben Selbstverständlichkeit anpreisen würden wie den letzten Tom Collins. Oder hieß er Phil Collins?
Der Stigbergsliden hinunter war eine angenehme Wanderung im Schatten eines australischen Pubs, an dem elf gelbgrüne Schilder aufgehängt waren. Australisches Bier schmeckt nicht, dachte er. Es war schwer und oberflächlich und mit schnaubender Prahlerei auf dem Markt eingeführt worden - insofern ein würdiger Repräsentant seiner Nation.
Am Järntorget kaufte er sich Eis, zwei Kugeln. Eis wie in guten alten Zeiten. Vanille mit.? Er hatte so lange gezögert, dass eine Frau hinter ihm geseufzt hatte und er sich genötigt sah, sich endlich zu entscheiden. Apfel mit Zimt; aber schon als er bezahlte, wusste er, dass er sich falsch entschieden hatte. Vanille mit Apfel und Zimt passte nicht gut zusammen, das war zu fett, und keine dieser Sorten passte eigentlich zu 32 Grad im Schatten. Er hatte ein unbehagliches Gefühl, als er langsam die Allen entlangschlenderte, das Eis tropfte zwischen seinen Fingern. Er hatte eine Eiswaffel erwischt, obwohl er einen Becher wollte, und die ungeduldige Frau hinter ihm war an allem schuld.
Nicht einmal eine Serviette hatte er bekommen.
Als Wide den Kungstorget überquerte, spürte er die Anziehungskraft der Markthalle. Er könnte hineingehen und bei Yossef eine Tasse Kaffee trinken, aber dann bestand die Gefahr, dass er sitzen blieb. Er könnte später zurückkehren, vielleicht, und mittags etwas aus Alexandras' griechischen Töpfen essen, Suppen aus Alexandroupolis in den nordtrakischen Bergen, nach Mutters Rezept, Tourlou, der Gemüseeintopf, oder Pasta Juvetzi. Faki, Fasolada oder Jouverlakia wären auch noch eine Möglichkeit - oder gerade heute in der Hitze einen griechischen Salat. Alexandros, »Alex«, war immer enttäuscht, wenn man
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