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Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)

Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)

Titel: Allen, Louise - Ballsaison in London (H218) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Allen
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dumme Kuh“, keuchte das erste Mädchen, als das zweite aufhörte zu ziehen. „Fester, sonst komme ich nie in mein Kostüm.“
      „Eher fällst du raus“, gab ihre Freundin mit einem Kichern zurück. „Das würde der Menge gefallen.“
      „Entschuldigung“, fing Talitha an, sobald die beiden aufgehört hatten zu keuchen. „Ist Amelie LeNoir hier?“
      „Millie? Ja, dort drüben sitzt sie. Hier, Liebes, halte mal eben den Finger hier drauf, damit ich den Knoten binden kann. So. Millie!“ Sie erhob eine Stimme, die darin geschult war, von der Bühne aus bis auf die hintersten Ränge zu dringen. „Besuch!“
      Talitha wand ihren Finger aus dem Gewirr der Korsettschnüre und beeilte sich, zu Millie zu gelangen, deren überraschtes Gesicht hinter einem Kostümständer erschien.
      „Du hast deine Tasche vergessen“, erklärte Talitha und ließ sich neben ihrer Freundin auf einen Stuhl fallen. „Darf ich mir die Vorstellung von den Kulissen aus ansehen?“
      „Oh, vielen Dank, Tallie“, erwiderte Millie herzlich. „Ja, natürlich, achte nur darauf, dass du niemandem im Weg bist – und du darfst dich nicht an den Ausdrücken stören.“
      Talitha nickte, machte es sich einigermaßen bequem und nahm die Atmosphäre in sich auf. Als sich ihre Ohren an den Lärmpegel und das allgemeine Chaos gewöhnt hatten, fielen ihr die Unterschiede in den Kostümen auf und sie begann zu ahnen, um was es bei dem Stück ging.
      So spärlich bekleidet, wie es von der Tür her ausgesehen hatte, war Millie doch nicht, stellte sie fest. Die junge Chorsängerin trug hautfarbene Strumpfhosen, über die ein Kleid gestreift wurde, das aus einzelnen Stoffstreifen bestand und von Lagen eines pinkfarbenen Netzstoffes zusammengehalten wurde. Dennoch waren Millies schlanke Fesseln unverhüllt und sogar die untere Hälfte ihrer wohl geformten Waden. Mit einer überdimensionalen Quaste puderte Millie sich das Gesicht, dann kramte sie verzweifelt auf ihrem überladenen Tisch herum. „Wo ist mein Kohlestift? Jemmie!“
      „Ja, Miss?“ Wie von Zauberhand erschien ein spitzgesichtiges Bürschchen.
      „Wo ist mein Kohlestift?“
      „Den hat Suzy geklaut“, antwortete der Junge.
      „Nun, dann geh und klau ihn zurück.“
      „Das ist ja ein Junge!“, keuchte Talitha.
      „Ja, ich weiß. Das ist Jemmie. Er ist acht.“
      „Aber ihr seid alle … ich meine, die Hälfte von euch hat keine Kleider an und …“
      „Er ist das gewöhnt“, erklärte Millie ruhig. „Er kennt es nicht anders. Außerdem denkt er sowieso, wir wären seine Schwestern.“
      Ein Mann steckte den Kopf durch die Tür. „Ouvertüre und Erste Szene! Bewegt eure Allerwertesten, ihr Bande von …“ Mit einem Chor wüster Beschimpfungen und diversen Wurfgeschossen wurde diese Ankündigung begrüßt, der Mann zog den Kopf ein und verschwand außer Sicht.
      Plötzlich kam Talitha der Gedanke, was Nick wohl für ein Gesicht machen würde, wenn er sie jetzt sähe, und sie schmunzelte verschmitzt. Wie lauteten doch seine Abschiedsworte? Er hoffe, sie würde nichts Unanständiges oder Dummes anstellen? Wie würde er es wohl finden, dass sie in der Oper mitten zwischen den Chorsängerinnen in der Garderobe saß?
      Millie stand auf, drückte sich einen flotten Hut auf den Kopf und nahm einen mit Bändern umwickelten Hirtenstab in die Hand. „Also gut, los geht’s. Ich bin in der ersten Szene eines von den Dorfmädchen.“
      In einen Winkel des Seitenflügels gequetscht, verbrachte Talitha eine unglaublich aufregende nächste halbe Stunde. Angerempelt, angebrüllt, schockiert und halb taub sah sie wie gebannt der Vorstellung zu. Schließlich senkte sich der letzte Vorhang, und das Ensemble stürmte von der Bühne, schweißnass und erschöpft, doch ganz offensichtlich darauf aus, ihren Erfolg bis zum Morgengrauen zu feiern.
      „Komm.“ Millie zog Talitha am Arm mit sich. „Ich muss mich umziehen, bevor sie die Ersten hereinlassen.“
      „Wen?“ Talitha betätigte sich nebenbei als Garderobiere. Sie hakte Millies Kostüm auf und reichte ihr in Gänsefett getunkte Wattebäusche, damit sie sich das Make-up entfernen konnte.
      „Hier kommen sie alle hin: Adlige, neugierige Straßenjungs, Kulissenschieber, Dandys der Oberschicht“, erklärte Millie ruhig. „Ich ermuntere natürlich keinen, aber die meisten der Mädchen haben so ihre Anhängerschaft.“
      „Sie werden hier hineingelassen?“ Talithas Stimme überschlug sich

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