Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)
Hemsley pflegen. Talitha zog eine Augenbraue hoch und nickte leicht in Millies Richtung. Zenobia zuckte die Achseln und ergriff einen Moment später die Gelegenheit, sich zu ihr zu beugen. „Ich habe ihn hier nicht mehr gesehen, aber dass muss nicht heißen, dass sie ihn nicht an der Oper sieht.“
„Er leckt vermutlich seine Wunden“, erwiderte Talitha grimmig und rief sich schaudernd ihre letzte Begegnung in Erinnerung.
Gegen sieben Uhr schließlich war Talitha mit Mrs Blackstock allein. Zenobia war einer Einladung in das Haus einer ihrer ehemaligen Schülerinnen gefolgt, und Millie hatte eine Droschke zur Oper genommen.
„Ich werde kurz die Einzelheiten der Häuser schildern, die uns am geeignetsten erscheinen“, schlug Talitha vor und nahm dann den Stapel mit den Exposés zur Hand. „Darf ich diese Sachen hier ein wenig zur Seite schieben … oh, ist das nicht Millies Tasche?“
Talitha hob den Beutel hoch, und Mrs Blackstock blickte bestürzt drein. „Oh ja, das ist sie, sie muss sie vergessen haben. Ist ihre Geldbörse darin?“
Ein schneller Blick offenbarte den Geldbeutel und auch Millies Hausschlüssel.
„Ich rufe besser eine Droschke und fahre zur Oper“, erklärte Mrs Blackstock seufzend. „Sie würde sich das Geld für die Droschke von einem der Mädchen leihen können, denke ich, aber wie ich Millie kenne, wird sie nicht eher feststellen, dass sie ihres vergessen hat, bis sie aus der Oper heraus und bereits auf dem Weg ist.“
Talitha blickte in das müde Gesicht der älteren Frau und stand auf. „Nein, bleiben Sie hier. Ich werde gehen. Ich habe das neue Stück noch nicht gesehen, und es wird bestimmt lustig, hinter die Kulissen zu schauen.“
Dankbar akzeptierte Mrs Blackstock das Angebot, bestand jedoch darauf, mit Talitha hinauszugehen, bis diese eine vertrauenerweckende Droschke gefunden hatte, und sie sich sicher war, dass Talitha die Geldbörse der Sängerin sicher in ihrer eigenen Tasche verstaut hatte.
Die Droschke benötigte eine ganze Weile für den Weg von der Upper Wimpole Street durch die stark frequentierten abendlichen Straßen bis zur Oper, die sich an der Kreuzung von Haymarket und Pall Mall befand. Talitha war noch nie im Bühnenraum gewesen, wusste jedoch, wo sich der Bühneneingang befand. Nachdem sie ihm eine Münze in die Hand gedrückt und nach Millie gefragt hatte, ließ der ältere Mann, der dort Wache stand, sie gerne ein.
Talitha musste sich ihren Weg durch triste, verstopfte Gänge bahnen, die mit Teilen der Kulisse und überfüllten Weidenkörben verstellt waren. Schwach vernahm sie, wie das Orchester sich einstimmte. Kleinere Grüppchen von Sängern oder Bühnenarbeitern drängten sich an ihr vorbei, achtlos jeden beiseiteschiebend, der ihnen im Weg war.
Auf der Suche nach jemandem, der nicht so in Eile war, bog Talitha in einen ruhigeren Seitengang ein. Eine Tür öffnete sich vor ihr, und ein wütend dreinblickender Mann mit nichts als einem hautengen, nahezu durchsichtigen Etwas an den Beinen und einer roten Perücke auf dem Kopf trat hinaus. Talitha blinzelte, unsicher, ob sie bei dieser Erscheinung schreien oder lachen sollte.
„John!“, dröhnte der Mann, dann unterbrach er sich und funkelte Talitha an. „Wo zum Teufel ist mein dämlicher Garderobier?“
„Ich habe keine Ahnung, Sir“, erwiderte sie und zwang ihren Blick von seinem nackten Oberkörper weg. „Wo sind die Garderoben für die Chorsänger?“
„Jungs oder Mädels?“
„Die Damen natürlich!“, erwiderte Talitha entrüstet.
„Kann man nie wissen“, erklärte er abfällig. „Hier entlang, links die Treppe runter und dann immer dem Gekicher nach. John, du fauler Hund!“
Die Hände fest auf die Ohren gepresst, hastete sie den Gang entlang in die angegebene Richtung, bis sie weit genug von der dröhnenden Stimme entfernt war. Tatsächlich verriet der Lärm aus der Garderobe ihr, wo diese zu finden war. Als Talitha durch die offen stehende Tür lugte, wusste sie auch, warum.
Mindestens zwei Dutzend Mädchen, alle mehr oder weniger unbekleidet, drängten sich in dem überheizten, grell beleuchteten Raum, der nach Schweiß, billigem Parfum und Gesichtspuder roch.
An dem Schminktisch, der Talitha am nächsten stand, umklammerte ein dunkles, in ein dünnes Fähnchen gekleidetes Mädchen einen Pfosten, während ein anderes in pinkfarbenen Strumpfhosen, die nichts verbargen, ihr das Korsett schnürte. „Fester, du
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