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Aller Anfang ist Mord

Titel: Aller Anfang ist Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Maria Herrmann
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doch nicht etwa...? Bevor ich den Gedanken zu Ende denken kann, herrscht er mich an: „Her mit dem Geld!“
    Vor Schreck fällt mir die Tasche aus der Hand.
    „Mach schon! Oder muss ich erst ungemütlich werden?“
    „Tun Sie mir nichts“, bitte ich mit schwacher Stimme, sinke in die Knie und fummele umständlich am Reißverschluss der Tasche.
    „Wird‘s bald!“
    Ich wühle in der Tasche und hole die Alditüte hervor. Er reißt sie mir aus der Hand, wirft einen Blick hinein, grunzt zufrieden, und weg ist er.
    Ich lasse mich auf den Deckel der Toilette sinken. Mein Herz klopft mir bis zum Hals. Ein kleiner Junge streckt seinen Kopf zur Tür herein und zuckt erschreckt zurück. Schwerfällig erhebe ich mich und wanke hinaus.
    „Helene, da bist du ja!“ Luise und Margot kommen mir entgegen. „Wir haben dich überall gesucht. Alles in Ordnung mit dir? Du bist ja ganz käsebleich!“
    Ich öffne den Mund, bringe aber keinen Ton heraus. Margot mustert mich besorgt.
    „Was ist das denn?“ Luise reckt neugierig ihren Hals. Vor den Kassen ist lautes Geschrei zu hören. „Kommt, da ist irgendetwas los.“
    Sie nimmt uns an den Händen und zieht uns mit. Ich bin ganz froh über den kleinen Aufschub. Beichten kann ich auch noch später. Wir schieben uns durch das Gedränge vor bis zur Kasse.
    „Da ist Polizei“, sagt eine Frau neben mir und jagt mir damit einen Riesenschreck ein. Suchen die uns? Rücksichtslos dränge ich mich weiter nach vorne.
    In der Eingangshalle steht, umringt von bewaffneten Polizisten, ein Mann mit erhobenen Händen. Ein Polizist steckt seine Waffe weg und legt dem Mann Handschellen an. Vom Boden hebt er eine blaue Tüte auf und wirft einen Blick hinein. „Das ist er!“, verkündet er laut. „Abführen!“
    „Das ist doch ...“ Margot schlägt entsetzt die Hand vor den Mund.
    „Ja“, ruft Luise. „Das ist der Kerl, der uns vorhin die ganze Zeit so angeglotzt hat.“
    „... hoffentlich nicht unsere Alditüte?“, flüstert Margot.
    „Doch“, gestehe ich zerknirscht und ziehe die beiden schnell zur Seite. „Er hat mir auf der Toilette aufgelauert.“
    „Das schöne Geld“, jammert Luise. „Alles futsch!“
    „Psst, nicht so laut!“ Ich lege einen Finger auf den Mund.
    „Aber woher wusste dieser Mann von unserem Bankraub?“, raunt Margot. „Und wo kommt die Polizei so plötzlich her?“
    Ich zucke mit den Schultern. „Frag mich etwas Leichteres.“
    „Und was machen wir jetzt?“ Luise sieht unglücklich von einer zur anderen. „Wir haben doch kein Geld mehr!“
    „Oh, das hätte ich jetzt beinahe vergessen.“ Ich drücke Luise ihre Tasche in die Hand. „Ich dachte mir, es ist sicherer, das Geld zu verteilen“, sage ich und klopfe auf die Tasche, die von meiner Schulter baumelt. „Hier drinnen sind zehntausend. Und hier“, ich klopfe gegen meinen Bauch, „noch mal zehntausend.“
    Luise sieht mich mit großen Augen an. „Du hast einen Teil des Geldes verschluckt?“
    Ich breche in schallendes Gelächter aus. „Natürlich nicht, du Dummchen. Ich habe mein Dekolleté damit gepolstert.“
    Luise klatscht in die Hände und fällt mir um den Hals. „Du bist die Größte!“
    „Das muss gefeiert werden“, strahlt Margot. „Auf der Getränkekarte habe ich Champagner gesehen. Was haltet ihr davon?“
    „Viel!“, sagen Luise und ich wie aus einem Mund.

Morgen ist ein anderer Tag
    Jutta Maria Herrmann
     
    Langsam – fast wie in Zeitlupe – stellt sie das Telefon in die Station zurück. Sie neigt den Kopf leicht zur Seite und sagt, den Blick fest auf die Wand geheftet, nur ein Wort: „Morgen.“ Dann verlässt sie mit eiligen Schritten den Raum.
    Sie kann mir nicht mehr in die Augen sehen. Keiner in diesem Scheißkaff kann das. Sie geben mir die Schuld. Sie sagen es nicht. Aber sie denken es. Alle. Sie denken, ich bin schuld.
    Sechshundertzweiundvierzig Tage sind seitdem vergangen. Morgen sind es sechshundertdreiundvierzig. Ich stehe auf und stelle mich ans Fenster. Draußen wird es dunkel. Ich lehne meine Stirn an das kühle Glas und sehe hinaus auf die Straße vor unserem Haus. Sie ist leer.
    Kurze Zeit später höre ich, wie sie in der Küche Wasser ins Spülbecken laufen lässt. Das Geschirr klappert. Das Radio dudelt irgendeinen Hit von Robbie Williams. Ich weiß, sie erwartet von mir, dass ich ihr beim Abwasch helfe. Tochterpflicht. Gibt es nicht auch so etwas wie Mutterpflicht?
    Ich starre auf einen Punkt, bis mir die Augen tränen. Dann löse ich meine

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