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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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Behandeln Tierärzte nicht auch Rennpferde und unterstützen die Fuchsjagd? Zumindest hier in der Gegend tun sie das. Niemand weiß mehr so genau, wie man stattdessen auf den geistlichen Bereich verfallen ist, doch es liegt auf der Hand, dass der Spitzname zu Terry passt, der mit seiner Bügelfaltenjeans und dem adretten V-Ausschnitt tatsächlich aussieht wie ein hipper junger Pastor an seinem freien Tag. Er hat sogar eine Nickelbrille, die er jetzt abnimmt, um sich die Augen zu reiben.
    «Wie schön sie ist!» Romilly betrachtet die Schlange in Terrys behandschuhten Händen.
    «Ja», sagt Terry. «Eine
Vipera berus
. Man beachte das typische Rautenmuster.»
    «Und sie ist auch ordentlich giftig?»
    «Sie ist nicht sehr angriffslustig», sagt Terry, «aber giftig ist sie schon. Ein Biss von ihr ist kein Spaß.»
    Terry greift nach einem gefütterten Briefumschlag und lässt die Schlange sanft hineingleiten. Das Päckchen zischt vernehmlich.
    «Das schadet ihr doch hoffentlich nicht», meint Romilly, «so eingepackt zu sein?»
    Terry schüttelt den Kopf. «Sie kann bis zu drei Tage ohne Nahrung überleben.»
    «Wessen Name steht auf dem Umschlag?»
    «Michael Malone. Er ist Labortechniker, ich habe seinen Namen von der Website.»
    Der Name sagt Romilly nichts. Sie nickt nur zustimmend. Ein ordentlich adressiertes Päckchen hat größere Chancen, auch ans Ziel zu gelangen. Der Plan sieht vor, es um Mitternacht vor dem Fachbereich Naturwissenschaften zu deponieren. Man wird sie auf den Überwachungsbändern sehen, doch genau das wollen sie ja auch. Sie werden vermummt sein und Skijacken tragen, mit der Aufschrift «Animal Action» auf dem Rücken. Romilly hat die Jacken selbst entworfen.
    «Mein Mann hatte schreckliche Angst vor Schlangen», sagt sie jetzt.
    «Geht vielen Leuten so.» Terry verschließt den Umschlag sorgfältig.
    «Kann sie jemanden töten?», will Romilly wissen.
    Terry sieht sie an. «Willst du denn, dass jemand stirbt?»
    «Natürlich nicht! Wir wollen doch nur ein Zeichen setzen.»
    «Ja», sagt Terry. «Sie kann einen Menschen töten.»
     
    Ruth fühlt Cathbads Puls. Er ist stark verlangsamt. Ob sie einen Arzt rufen soll? Was ist mit Cameron von nebenan? Er und seine Kumpels von der Eliteschule kennen sich doch bestimmt mit Drogen aus. Ruth tritt ans Fenster. Im Garten schwelt das Feuer noch, ein schauriges orangefarbenes Glimmen in der Dunkelheit. Ruth schaut noch einmal hin, das Gesicht dicht an die Scheibe gepresst. Da steht jemand in ihrem Garten und schaut in die Glut. Eine hochaufgerichtete Gestalt mit Umhang und langem Stab. Die Gestalt bewegt sich und scheint dann wieder im Dunkel zu verschwinden, mit wehendem Umhang, der das Gesicht freilegt. Ruth gefriert das Blut in den Adern. Es ist Bob Woonunga.
     
    Judy und Clough rennen wie verrückt, stolpern über Äste, rutschen beinahe auf dem feuchten Laub aus. Judy hat nicht die leiseste Ahnung, wohin sie laufen. Sie richtet den Blick fest auf Cloughs schwarze Jacke mit den tröstlichen reflektierenden Streifen. Sie stolpert und knickt schmerzhaft um, doch Clough schaut nicht einmal zurück. «Los, komm!», ruft er. Sie humpelt ihm nach. Wie groß kann so ein Park denn sein? Sie müssten doch längst an einer Straße oder einem Pfad sein. Irgendwo in der Nähe kracht und splittert es, als würde ein Baum umstürzen. Es grenzt an Wahnsinn, mitten in einem solchen Unwetter im Wald zu sein. Aber die ganze Sache grenzt ja an Wahnsinn, und irgendwo hier, ganz in der Nähe, ist ein Mann mit einer Pistole. Judy stolpert weiter. Sie hat Seitenstechen. Lange hält sie nicht mehr durch.
    Dann ist die schwarze Jacke mit einem Mal verschwunden. Wo zum Teufel ist Clough? Judy bleibt stehen, und ihr Keuchen übertönt selbst das Lärmen des Windes. Sie macht ein paar Schritte vorwärts und fällt, stürzt inmitten von Geröll und kaputten Ästen kopfüber abwärts.
    «Los, Johnson!», ruft eine vertraute Stimme. «Steh auf!» Judy liegt keuchend auf dem Boden. Sie weiß, dass Clough ihr das Leben gerettet hat, und sie wird ihm ewig dankbar sein, doch gerade jetzt, in diesem Moment, könnte sie ihn fast hassen. «Wo sind wir?», fragt sie.
    «Ich glaube, wir sind auf der Rennbahn», sagt Clough, und Judy registriert, dass der Untergrund recht weich ist. Die Allwetterbahn. Und ganz in der Ferne sieht sie Lichter.
    «Los, komm!», sagt Clough noch einmal, und wie zwei erschöpfte Rennpferde nehmen sie die Allwetterbahn in Angriff. Hinter ihnen tobt der Wind

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