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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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sind sie auf dem Hof, springt die Sicherheitsbeleuchtung an und blendet sie beinahe. Wieder erfüllt der fürchterliche Laut die Nacht. Es ist nur ein Esel, sagt sich Judy, doch es macht ihr trotzdem eine Heidenangst. Irgendwer im Haus muss den Lärm doch hören. Randolph vielleicht? Oder die geheimnisvolle Lady Smith? Jeden Moment kann Len Harris auftauchen und sie abknallen wie Ratten. Doch niemand lässt sich blicken. Sie laufen über den Parkplatz, vorbei an den Sportwagen und Jeeps (Judy ist inzwischen ganz sicher, dass der blaue Ferrari Len Harris gehört), und drücken Sekunden später auf die Klingel mit dem Schild: «Besucher bitte hier melden».
    Caroline lässt sich mit dem Öffnen Zeit, doch als sie schließlich an die Tür kommt, ist sie in kompletter Straßenkleidung. Sie sieht verändert aus, denkt Judy. Vielleicht liegt es ja daran, dass sie die Haare hochgesteckt hat.
    «Polizei», keucht Judy. «Wir müssen bei Ihnen telefonieren.»
    «Die Leitung ist tot», sagt Caroline. «Wegen dem Unwetter.»
    «Ich habe mein Handy dabei», sagt Clough. «Können wir reinkommen?»
    Caroline tritt beiseite. «Ich mache Ihnen einen Tee», sagt sie. «Sie sind ja patschnass.»
    Sie führt sie ins Wohnzimmer. Clough tippt auf seinem Handy herum, findet aber kein Netz. Judy hat ihr Handy verloren. Sie sinkt in einen Sessel und hat das Gefühl, dass nichts mehr eine Rolle spielt.
    «Wie hast du mich überhaupt gefunden?», fragt sie Clough.
    Er blickt auf. «Du hast mir eine SMS geschickt, weißt du nicht mehr? Ich habe alle paar Minuten aufs Handy geschaut. Ich dachte, vielleicht gibt es was Neues vom Boss. Aber ich hätte echt nicht gedacht, dass du allein hierherfährst wie so eine gottverdammte Nancy Drew. Mensch, Johnson, wie kannst du nur so blöd sein?»
    «Ich weiß auch nicht», sagt Judy. «Ich dachte, ich hätte den Fall gelöst. Ich dachte, ich kann das alles alleine regeln.» Sie erzählt ihm von den Packeseln. Clough pfeift tonlos durch die Zähne. «Na klar, die Hälfte von den Pferden kommt ja aus dem Nahen Osten. Die perfekte Tarnung. Genial.»
    «Schön, dass Sie das so sehen», sagt eine Stimme von der Tür her. Dort steht Len Harris neben Caroline. Und beide haben Pistolen in der Hand.
     
    Die Stimmen haben eingesetzt. Sie kommen aus dem Meer. Nelson weiß, dass er nicht auf sie hören darf. Wenn man hinhört, ist man verloren. Wenn man auf das Klopfen an der Tür reagiert, ist man verloren. Er wappnet seinen Geist gegen das sanfte, verführerische Flüstern aus der Tiefe. Michelle, Ruth, Laura, Rebecca, seine Mutter. Es sind immer Frauenstimmen. Er darf sie nicht an sich heranlassen. Er muss weiter neben Cathbad den Strand entlanggehen. Einen Fuß vor den anderen setzen. Doch es ist schwer, schwerer als alles, was ihm jemals abverlangt wurde.
     
    «Hier entlang», sagt Caroline zuvorkommend. Die Pistole, die sie auf Judys Brust gerichtet hält, trübt den Gesamteindruck allerdings ein wenig.
    «Sie machen einen ganz gewaltigen Fehler», plustert sich Clough vor Len Harris auf.
    «Nein, den Fehler haben Sie gemacht», meint Harris. Er wirkt kein bisschen außer Atem. Ist er auch durch den Wald gekommen, oder hat jemand draußen vor dem Tor mit dem Wagen auf ihn gewartet? Das muss dann wohl Caroline gewesen sein, Caroline, die das Tor verschlossen, es dann für Harris wieder geöffnet und ihn, ruhig und zügig wie ein Taxi, zu ihrem Haus gefahren hat. Caroline, Traces Freundin, von der Clough meinte, man könne ihr vertrauen.
    Harris lächelt jetzt, und sein ledriges Gnomengesicht nimmt einen weitaus weniger gütigen Ausdruck an. Er ähnelt einem Kobold, vielleicht auch einem Troll. «Sie sind in die Stallungen geraten», sagt er, «und da gab es leider einen tragischen Unfall.»
    Er sieht Caroline an. «Die Führanlage?», schlägt sie vor.
    «Perfekt.» Er wedelt mit der Waffe. «Da lang.» Judy und Clough bleibt nichts anderes übrig, als ihm Folge zu leisten. Clough überlegt, auf Harris loszugehen und zu versuchen, ihm die Pistole zu entreißen, aber falls ihm das gelingt, wird Caroline höchstwahrscheinlich Judy erschießen. Und falls es misslingt, erschießt Harris ganz sicher ihn. Sie sehen alle beide aus, als hätten sie Erfahrung mit Schusswaffen. Er könnte sich ohrfeigen, dass er keine Verstärkung angefordert hat. Und Judy könnte er noch viel fester ohrfeigen.
    Sie gehen über den Hof, wo es bis auf den Wind ganz still ist. Judy überlegt, um Hilfe zu rufen – aber wer würde sie

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