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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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mit einem Messer. Ein totes Kind. Dann Nelson, der sich ihr mit verstörtem Blick zuwendet.
Ich will nicht zurück nach Hause. Das musst du auch gar nicht.
    Seufzend zieht Ruth sich die Decke über den Kopf. Falls diese Nacht jemals enden sollte, wird sie Nelson morgen besuchen. Sogar Kate wird sie mitnehmen.
     
    Im Newmarket Arms gibt es wieder Karaoke. Caroline sitzt allein im hinteren Teil des Lokals und fragt sich, wo zum Kuckuck sie nur bleibt. Elf Uhr, hat sie gesagt. Es sieht ihr gar nicht ähnlich, zu spät zu kommen, so wie es Caroline nicht ähnlich sieht, pünktlich zu sein. Und dann ist das Wetter auch noch so scheußlich. Sie hört den Regen selbst noch über das Gegröle der Stallburschen hinweg, die heute
Don’t Stop Me Now
singen. Ihr Glas ist fast leer, doch es ist ihr unangenehm, sich zwischen all den lachenden und redenden Leuten zur Theke vorzudrängeln. Seltsam: Da ist sie mutterseelenallein mit ihrem Rucksack durch den australischen Busch gereist und traut sich trotzdem nicht, sich in einem Pub auf dem Land etwas zu trinken zu holen. Sie hantiert mit ihrem Handy, um jeden Blickkontakt zu vermeiden. Schade, dass sie für später nichts mit Cathbad ausgemacht hat, aber der ist wohl wieder von der Bildfläche verschwunden. Sie hat ihm heute mindestens zwei, wenn nicht drei Nachrichten auf der Mailbox hinterlassen. Hoffentlich hält er sie nicht für eine Stalkerin. Es wäre einfach nur ein Trost, ihn jetzt hier zu haben mit seinem Umhang und ihn von Kraftmeridianen erzählen zu hören. Außerdem hätte sie dann wenigstens jemanden, mit dem sie noch etwas trinken könnte.
    Verflixt. Caroline steckt das Handy ein. Sie wird jetzt einfach zur Theke gehen.
     
    Judy, die draußen am Pub vorbeifährt, die Scheibenwischer auf doppelter Geschwindigkeit, denkt sich, dass es an einen Ozeandampfer nachts auf hoher See erinnert: Das Schiffsorchester spielt, der Kapitän hat alle drohenden Eisberge aus seinen Gedanken verbannt. Der Parkplatz ist voller Wagen. Wenn sie Glück hat, sind die Stallarbeiter allesamt hier im Lokal und grölen Take-That-Songs, und Judy kann in Ruhe mit Randolph reden. Doch als sie Licht und Lärm hinter sich lässt und in den Wald hineinfährt, fröstelt sie unwillkürlich. Sie muss daran denken, was ihr Vater von dem Kutschunfall erzählt hat: «In dunklen Nächten hört man noch die Schreie der Passagiere und sieht die Geisterpferde zwischen den Bäumen hindurchsprengen.» Auch an Danforth Smith muss sie denken und an die riesige giftgrüne Schlange. Was haben Iren nur immer mit diesen Gruselgeschichten? Judy fürchtet sich jedenfalls nicht vor Gespenstern. Trotzdem umklammert sie das Lenkrad ein wenig fester, sie will schließlich nicht von der Fahrbahn abkommen, und hier zwischen den Bäumen ist es derart dunkel, dass sie trotz der Scheinwerfer nur wenige, schummrige Meter weit sehen kann. Der Wind heult und peitscht die Äste hin und her. Wo ist die Abzweigung zum Rennstall? Sie müsste doch eigentlich längst da sein.
    Wie aus dem Nichts taucht die Mauer vor ihr auf. Das alte Tor, hat Randolph geschrieben. Judy fährt an der Mauer entlang um den Park herum. Warum hat Randolph sich nur einen so unpraktischen Treffpunkt ausgesucht? Anscheinend will er irgendwem ausweichen. Seiner Mutter? Seiner Schwester? Judy überlegt, wie viel Randolph wohl von dem weiß, was im Rennstall vor sich geht. Sie hat es ja selbst eben erst herausgefunden. Aber wenn Randolph mit drinhängen würde, hätte er doch sicher nicht um ein Treffen mit Judy und Clough gebeten? Und er hätte ihnen auch nicht von den toten Schlangen und den Männern im Wald erzählt. Es sei denn, das war ein raffiniertes Ablenkungsmanöver. Aber Randolph macht auf sie nicht gerade einen raffinierten Eindruck. Es gäbe eine ganze Reihe anderer passender Adjektive, aber «raffiniert» gehört eindeutig nicht dazu.
    Da ist es endlich, das Tor, es ragt in der Dunkelheit vor ihr auf. Und es wirkt tatsächlich alt. Eigentlich sieht es sogar so aus, als wäre es seit hundert Jahren nicht mehr geöffnet worden. Aber hat Randolph nicht gesagt, er sei kürzlich aus dieser Richtung gekommen, als er die unheimlichen Gestalten um das Feuer tanzen sah? Judy stellt den Motor ab und schaltet die Scheinwerfer aus. Es schüttet immer noch. Sie sollte wohl besser ihre Regenhaut aus dem Kofferraum holen. Und eine Taschenlampe. Mühsam streift sie sich die Regenhaut über; sie ist neongelb und verwandelt Judy in die perfekte Zielscheibe für

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