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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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ihrem Bettchen sitzt, sieht sie aus wie ein kleiner Engel, das klassische Baby, das acht Stunden durchschläft, ohne einen Mucks zu machen. Wie Kate es wohl finden wird, wenn Max regelmäßig zu Besuch kommt? Anscheinend mag sie ihn ja, aber wird sie nicht eifersüchtig werden, wenn Ruth sich mehr mit ihm beschäftigt? Was, wenn Max und Ruth sich wieder trennen und Kate ihn dann fürchterlich vermisst? Was, wenn Klaudia Flint anfällt oder umgekehrt? Hör auf, ruft Ruth sich zur Ordnung. Die Beziehung hat noch gar nicht richtig angefangen, und du malst dir schon aus, wie sie enden wird. Von nebenan hört sie das beruhigende Stampfen von Rockmusik.
     
    Vielleicht liegt es ja an den Guns N’ Roses oder an Ruths Mollversion von
The Wheels on the Bus
– jedenfalls schläft Kate schon nach kurzer Zeit tief und fest. Ruth schleicht sich aus dem Zimmer. Sechs Uhr, gerade noch rechtzeitig, um sich das Ende von
Time Team
anzuschauen. Vielleicht gönnt sie sich ja auch ein Glas Wein. Sie merkt, dass sie lächelt.
    Das Telefon klingelt. Immer noch lächelnd nimmt Ruth den Hörer ab.
    «Hallo, Ruth. Hier ist Judy. Es geht um den Boss. Um Nelson.»
    Sie weiß nicht genau, wann sie aufgehört hat zu lächeln. Sie weiß nur, dass sie es jetzt nicht mehr tut.
    «Was ist denn mit ihm?»
    «Er ist krank. Er liegt im Krankenhaus. Anscheinend ist es ziemlich ernst. Ich dachte, das solltest du wissen.»
    Wieso, überlegt Ruth. Wieso denkt Judy, ich sollte das wissen? Für Judy sind Ruth und Nelson doch eigentlich nur lose befreundet, Kollegen, die miteinander an ein paar Fällen gearbeitet haben. Warum dann also dieser dringliche Anruf am Sonntagabend? Aber Ruth will es natürlich wissen.
    «Was hat er denn?» Ihre Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern.
    «Das weiß niemand so genau. Cloughie hat vorhin mit Michelle telefoniert. Sie glauben, es ist ein Virus, eines von denen, auf die kein Medikament anspricht.»
    «Ist er …?» Ruth hält inne, wagt es nicht, weiterzureden. Judys Ton ist freundlich, voll professionellem Mitgefühl.
    «Er liegt im Koma, aber anscheinend versagen seine Organe nach und nach. Es sieht nicht gut aus. Michelle und die Mädchen sind bei ihm.»
    Michelle und die Mädchen. Wie aus weiter Ferne hört Ruth sich selber sagen: «Danke, dass du mir Bescheid gesagt hast, Judy. Ich muss jetzt auflegen. Tschüs!»
    Ruth legt auf und merkt, dass sie zittert. In all ihren schlimmsten Befürchtungen, ihren fiebrigsten «Was wäre, wenn»-Überlegungen hat sie sich doch niemals so etwas ausgemalt. Sie hat sich überlegt, dass Michelle und Nelson wegziehen könnten, und auch, dass Nelson in Ausübung seiner Dienstpflichten ums Leben kommen könnte – aber nie, niemals, dass er etwas so Banalem wie einem Virus erliegt. Das ist doch, als würde Herkules an einem Schnupfen sterben. Es kann einfach nicht sein. Sie setzt sich, steht wieder auf, macht den Fernseher an, macht ihn wieder aus. Was soll sie tun? Sie kann ja schlecht Michelle anrufen oder sie vor dem Krankenhaus abfangen. Sie versucht, sich zu erinnern, was sie als Letztes zu Nelson gesagt hat. Das muss im Museum gewesen sein. Nelson wollte ihre Unterredung gerade beenden, als Danforth Smith hereinplatzte. «Wir sind hier ja fertig, oder?», hat sie zu Nelson gesagt. Und er hat geantwortet: «Ja. Wir sind fertig.» Soll es das etwa gewesen sein? Fertig. Aus. Vorbei. Kann es tatsächlich eine Welt ohne Nelson geben? Sie denkt an ihre Tochter, die oben schläft. Womöglich hat Kate jetzt nie mehr die Möglichkeit, ihren Vater kennenzulernen. Ruth merkt, dass ihr Tränen über die Wangen laufen.
    Das Telefon klingelt, und sie greift nach dem Hörer. Sie wappnet sich dafür, Judy mit ihrer mitleidigen Stimme sagen zu hören: «Es ist vorbei. Er ist von uns gegangen», oder einen anderen der zahllosen klischeehaften Euphemismen, die die Leute verwenden, um das Wort «tot» zu vermeiden. Doch es ist nur Shona. Ruth wird ganz schwach vor Erleichterung.
    «Hi, Ruth! Was treibst du so?»
    «Nichts weiter. Ich sitze vor dem Fernseher.» Um nichts in der Welt wird sie Shona von Nelson erzählen.
    «Super. Kann ich vorbeikommen? Phil hat die Grippe und leidet schrecklich. Typisch Mann. Und ich langweile mich hier zu Tode. Ich bin den ganzen Tag noch nicht vor die Tür gekommen. Schwangersein ist die Hölle.»
    Doch Ruth erscheint es gerade wie das Paradies. Als sie schwanger war, war Nelson noch gesund und am Leben, und Kate war in Sicherheit, geborgen in Ruths Bauch.
    «Tut

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