Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
Vom Netzwerk:
im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode erschreckt hat?
    Sie denkt an Randolph. Sie fand ihn durchaus attraktiv, rein theoretisch, obwohl sie das Clough gegenüber natürlich niemals zugeben würde. Er ist auch nicht so recht ihr Typ; sie hatte nie etwas für solche reichen Schnösel übrig. Aber Cathbad ist ja eigentlich auch nicht ihr Typ, was nicht erklärt, warum sie die Finger nicht von ihm lassen kann, warum sie sich jedes Mal, sobald sie sich begegnen, die Kleider vom Leib reißen, obwohl sie sich jedes Mal von neuem hoch und heilig versprechen, dass das nie wieder vorkommen wird. Judy kann es sich nicht erklären, und sie versucht es auch gar nicht mehr. Die letzten paar Monate hat sie in einem Zustand permanenter erotischer Verzückung zugebracht, obwohl sie weiß, dass es böse enden wird. Und jetzt auch noch die Nachricht von Nelson … Cathbad war fix und fertig, als sie ihm davon erzählt hat, ganz anders als Ruth, die seltsam kalt reagiert hat. Beklommen fragt sie sich, ob Nelsons Erkrankung womöglich der letzte Schlag ist, der das Gebäude ihres Lebens endgültig zum Einsturz bringt. Der letzte Tropfen, der letzte Sargnagel und andere Klischees.
    Sie muss eine weitere Teamsitzung einberufen, doch im Moment fühlt sie sich dazu noch nicht in der Lage. Clough und Tanya klappern die Transportunternehmen ab, Rocky ist auf einem Seminar, das ihn – wird ja auch allerhöchste Zeit – in einen «professionellen Polizeimitarbeiter des 21 . Jahrhunderts» verwandeln soll. Nur Tom Henty ist im Haus, und Judy hat ein bisschen Angst vor Tom, der ein paarmal zu oft darauf hingewiesen hat, dass er schon Streife gefahren ist, als sie noch gar nicht auf der Welt war. Vielleicht sollte sie noch einmal in den Stall zurückfahren und Len Harris zur Rede stellen. Ohne Clough, der sich wegen der Pferde in die Hose macht und mit seinen Plattfüßen in Pferdeäpfel trampelt, ist das sicher viel einfacher. Sie gestattet sich ein kleines Lächeln, als sie an den Vorfall zurückdenkt. Dann hält sie inne, und das Lächeln gefriert ihr im Gesicht. Sie sieht den Haufen Pferdeäpfel wieder vor sich, hört Clough aus vollem Hals fluchen, und gleichzeitig sieht sie auch noch etwas anderes, das sie jetzt zum allerersten Mal registriert.
    Sie weiß, was im Rennstall Slaughter Hill vor sich geht.

[zur Inhaltsübersicht]
    26
    Es ist Nacht. Michelle sitzt an Nelsons Bett. Rebecca und Laura sind, erschöpft von der spätnächtlichen Aufregung und den emotionalen Anforderungen des Tages, nach Hause gegangen. Doch Michelle bleibt sitzen, löst den Blick nicht von den roten und grünen Lämpchen der Geräte und dem Spinnennetz in einer Ecke der stuckverzierten Decke. Einige Kilometer weiter, in unmittelbarer Nähe der Küste, schläft auch Kate, ohne etwas vom monumentalen Kampf ihres Vaters zu ahnen. Hinter ihr liegt in gewisser Weise auch ein monumentaler Kampf, weil sie sich geweigert hat, ins Bett zu gehen, während Cathbad im Haus und zu Späßen aufgelegt ist. Doch dieses eine Mal hat Ruth sich durchgesetzt, und nun schläft Kate unruhig in ihrem weißen Kinderbett, unter dem Traumfänger mit den Perlmuttmuscheln. Und im Garten, unter den Augen einer verängstigten und höchst skeptischen Ruth, die ihm aus einem Fenster im Obergeschoss zuschaut, verbrennt Cathbad Zweige und umrundet langsam die Flammen.
    Nelsons Augen bewegen sich unter den geschlossenen Lidern. Michelle fragt sich, was er wohl sieht. Nelson ist immer so ungeduldig, so unfähig, still zu bleiben – es scheint fast unmöglich, dass er jetzt so daliegt, an Drähte und Infusionen und Bildschirme angeschlossen. Michelle kann sich nicht erinnern, wann sie ihn zuletzt schlafend gesehen hat. Nelson steht grundsätzlich vor ihr auf, geht nach unten und macht ihr einen Tee. Er mag den frühen Morgen, sagt er immer. Früher hat er sich sonntags die Morgenausgabe von
Match of the Day
angesehen. Michelle erinnert sich noch gut an die Titelmusik, diese wunderbar altmodische, beschwingte kleine Melodie, die zu ihr heraufdrang, während sie noch im Bett lag, im wohligen Bewusstsein des heißen Tees, der neben ihr wartete, und des Sonnenlichts, das durch die Vorhänge fiel. Als die Mädchen noch klein waren, haben sie
Match of the Day
immer mitgeguckt; beide waren eine Zeitlang passionierte Blackpool-Fans. In den letzten Jahren allerdings haben sie lieber ausgeschlafen und Nelson in einsamer Herrlichkeit mit dem Fernseher, der
Mail on Sunday
und seinem starken Morgentee allein

Weitere Kostenlose Bücher