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Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Titel: Alles auf Anfang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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von Turbulenzen, von Hitzeströmen, die sich über die Wolken schieben und sie verdunsten lassen, während von Osten Wind herüberweht, der sich mit Elektrizität gefüllt entlädt, kurzum:
    Es ist ein trübes Wetter in mir drinnen!
    Trübes Wetter ...
    Ein Satz wie Klebebildchen.
    Meine Klebebildchen, jene mit den Engeln und den hübschen Mädchen, die, von kleinen Entlein begleitet werden und mit Silber- oder Goldstaub bepudert sind. Die ich mit den Fingerkuppen streichele, weil sie sich so schön märchenhaft und dreidimensional anfühlen.
    Vielleicht sollte man sich mit siebzehn Jahren nicht mehr mit solchen Dingen wie Klebebildchen abgeben, aber sie trösten mich, diese bunten Fantasien. Sie sind – schön! Wie ... Weihnachten, ein glitzernder Rausch, wie Diamanten für kleine Mädchen.
    Dann, wenn ich weine, sind sie bei mir.
    Dann, wenn ich blute, sind sie bei mir.
    Dann, wenn ich alleine in mir bin, sind sie bei mir.
    In meinem Buch, worin sie eingeklebt sind, dieses mit dem blutroten Umschlag, das mir Tante Gina geschenkt hat, als ich elf wurde.
    Bin ich ein böses Mädchen?
    Kannst du mir die Antwort geben?
    Kannst du?
    Manchmal habe ich schlechte Gedanken.
    Dann, wenn ich das böse S-Wort denke und wütend werden möchte, aber alles runterschlucke und lieber den Mund halte, meistens jedenfalls.
    Obwohl ich auch eine große Klappe haben kann und mich dann sehr dramatisch verhalte, was andere ziemlich aufbringen kann.
    Manchmal bin ich sehr betrübt.
    Dann, wenn ich daran zweifele, ob das, was Mama und Papa von mir wollen, richtig für mich ist.
    Oder möchtest du gerne Verkäuferin werden oder Bürotippse oder einen recht schaffenden Mann heiraten und dessen Ehefrau werden oder Mutter, also eine bessere Putzfrau?
    Möchtest du einen dicken Bauch haben, in dem ein Kind wächst, das mir ein Mann eingepflanzt hat, der den ganzen Tag außer Haus ist und den ich abends bedienen oder bemuttern muss?
    Später vielleicht, viel später, aber jetzt noch nicht und auch nicht demnächst.
    Oh, mein schlechtes Gewissen pikt wie Brennnesseln, in die ich mal als kleines Kind reingefallen bin, oben beim Bahndamm, hinter dem Haus und hinter dem Acker, wovon ich danach tagelang pockige Beine hatte.
    Alle wollen doch nur das Beste für mich, allen voran Mama!
    Und wie danke ich es ihr?
    Mit Zorn und indem ich mich innerlich abwende und irgendwohin blicke, wo nichts ist.
    Mama meint es so gut mit mir.
    Schon vor über zehn Jahren drückte sie meine Hände in das heiße Spülwasser, und wenn ich weinte, es sei zu heiß, viel zu heiß, meinte Mama, das sei in Ordnung so, man müsse sich nur daran gewöhnen, damit man später alles schön sauber kriege im Spülwasser und ich weinte und schrie und zappelte und meine kleinen Finger wollten mir wegplatzen, aber Mama hielt sie im Wasser fest, das nach Spüli roch wie ein ganzer Jasminbaum und meine Finger waren wohl widerstandsfähiger, als ich dachte, denn was hält man nicht alles so aus.
    Um eine gute Hausfrau zu werden, vielleicht ebenso gut wie Mama und das heißt schon was, denn eine bessere gibt es nicht auf der großen ganzen Welt und tatsächlich gewöhnte ich mich irgendwann an das brühheiße, seifige Wasser.
    Warum weinte ich, warum wehrte ich mich damals als Kind? Warum begriff ich nicht, was Mama von mir forderte?
    Ich fühlte mich so elend, dass mir manchmal richtig schlecht war nach so einer Spüliaktion, dass ich brechen musste oder nach dem Staubsaugen oder danach, wenn Mama mir den Staublappen um die Ohren gehauen hatte, weil ich ihn nicht aus dem Fenster gewedelt hatte oder aus Versehen einen Kaffeefleck damit aufgewischt hatte und den gelben Lappen verunreinigte. Bisweilen übergab ich mich auch nicht - dafür stotterte ich dann, mal für eine Woche, manchmal länger, was Mama immer sehr aufbrachte, weil sie dachte, ich mache das extra, um mich wichtig zu tun. Oder ich machte die Armgelenke beim Essen am Tisch breit, weil ich aufsässig sein wollte und lümmelte mich auf die Tischplatte, sodass ich Bücher unter die Arme geklemmt bekam, damit ich lernte, wie man die Arme beim Essen schön ordentlich und eng am Körper hält, denn Ordnung muss sein, oder wenn ich mal wieder mit den Beinen wackelte, wie die Kinder im Struwwelpeter, denen man die Finger abschnitt und die Haare wegbrannte, dann gab’s unterm Tisch einen Tritt von Mama gegen meine Schienbeine und Tom grinste doof und auch ein bisschen verlegen, weil er wie üblich keinen Tritt kriegte und das war’s

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