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Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Titel: Alles auf Anfang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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meinen?«
    »Na, wen würden Sie am Samstag im Sturm spielen lassen?«
    Hat er sich verhört?
    Lautete es nicht vor wenigen Sekunden noch: In die Hände spucken! Ehrgeiz, meine Herren! Der innere Schweinhund zählt nicht!
    Alle Augen sind auf Otto gerichtet, der Landesdirektor zeigt weiße Zähne in rundem Fleisch, was weniger wie eine Kröte, vielmehr wie das Fletschen eines Nilpferdes aussieht und manch einer ist froh, nicht angesprochen worden zu sein. Wer weiß, wessen Kopf abgebissen werden könnte?!
    »Sturm?«
    »Sie halten wohl nicht viel von Fußball, Jäckel, oder?« Nun blitzen die Augen des Landesdirektors und Otto ist hellwach.
    »Fußball, Herr Direktor, Fußball ist ein wunderbarer Sport. Allerdings hatte ich ihre Frage in diesem Moment, in dieser Situation am allerwenigsten erwartet. Immerhin ist diese, diese ... Weltmeisterschaft der Grund für unsere Umsatzrückgänge im Juni.«
    Für einen Moment stockt fünfzehn Männern der Atem. Hat Otto Jäckel die wohlmeinende Frage des Direktors kritisiert? Oder war es eine Missbilligung am Arbeitsverhalten der Anwesenden? Haben sie das richtig verstanden? Wollte Otto Jäckel damit sagen, dass ...
    »Wenn ich Ihre Umsatzzahlen richtig deute, mein lieber Herr Jäckel, sind Sie persönlich davon in keiner Weise betroffen. Worüber beklagen Sie sich?« Der Landesdirektor stützt seine Handflächen auf die Tischplatte und beugt sich etwas vor. Sein rundes Gesicht ist von Zigarettenqualm umnebelt wie ein Vollmond hinter Regenwolken.
    »Ich wollte mich nicht beklagen, Herr Direktor, ich ...«
    »Dazu haben Sie auch keinen Grund. Sie sind einer unserer erfolgreichsten Männer. Sie sind ein tüchtiger Verkäufer, wie man mir sagte, fast schon ein Besessener.«
    »Besessen? So würde ich das nicht ausdrücken, Herr Direktor.«
    Einige kichern.
    Der Landesdirektor sagt: »Besessenheit, meine Herren, ist eine Form der Ausschweifung und kann dazu führen, dass man Scheuklappen bekommt, dass man nur noch eindimensional sieht, nicht mehr wahrnimmt, was links und rechts von einem geschieht.« Jetzt spricht der Landesdirektor zu allen, aber jeder weiß, wer eigentlich gemeint ist.
    In Otto pulst ohnmächtiger Zorn. Nur zu gerne will er sich diesen Schuh anziehen. Er muss an sich halten, um nicht aufzuspringen.
    Der Landesdirektor fährt unbeirrt fort: »Irgendein Philosoph behauptete, die Mutter der Ausschweifung sei nicht die Freude, sondern die Freudlosigkeit. Damit, meine Herren, will ich sagen: Alles zu seiner Zeit, alles zur richtigen Zeit. Nur wenn wir in unserem Leben Freude empfinden, werden wir dieses Glücksgefühl, die Lebenslust, auf unsere Arbeit übertragen können und nur dann haben wir die Kraft, nicht zu verbrennen, sondern wir werden viele Jahre lang hell strahlen. Und dazu, meine Herren ...« Jetzt scheint er Otto vergessen zu haben. »dazu meine Herren, gehört, dass Deutschland am 30. Juli 1966 Weltmeister wird.«
    Tosender Beifall. Der Landesdirektor ist ein kolossaler Mann, der weiß, wo’s im Leben lang geht. Da macht das Arbeiten ja noch mal so viel Spaß. Hurra! Hurra! Die Krawattenknoten lockern und ein Hoch auf die Berliner Rück.
    »Und nun, meine Herren, beende ich eine Stunde früher, als geplant war, diese Außendiensttagung. Um noch was zur Hitze hier drinnen zu sagen: Ich werde einen Deckenventilator für die Geschäftsstelle Berlin beantragen! Also verkaufen Sie eifrig, damit die Rück weiterhin expandiert. Sie alle werden davon partizipieren. Vielen Dank!«
    Noch mehr Johlen und Erleichterung, Fingerknöchel, die auf die Tischplatte trommelfeuern, und Stühle, die über den Teppichboden rutschen; schnell raus hier, ein kühles Bier wartet.
    »Sie, Jäckel, bleiben bitte noch«, winkt der Landesdirektor und der Raum leert sich.
    Als Otto vor ihm steht, legt der dicke Mann den Kopf schräg und mustert den Kerl, der auf ihn so hühnerartig schmal, so wunderlich glatt wirkt. »Man sagte mir, sie würden gerne Bezirksdirektor werden?!«
    »Ja, Herr Direktor.« Nun ist es soweit, denkt Otto. Der ehemalige Bezirksdirektor wurde versetzt. Die Stelle ist vakant. Niemand, der klaren Geistes ist, wird Otto bei der Regelung der Nachfolge übergehen können. Für dieses Ziel hat Otto sich den Hintern aufgerissen, ohne Wenn und Aber ...
    »Man sagt auch, Sie würden Ihre Kunden - wenn es notwendig ist - stundenlang mit Ihrem Fußballwissen beeindrucken.«
    »Ich tue, was ich kann, Herr Direktor.«
    Und fügt in Gedanken hinzu: Alles, alles für meine

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