Alles auf Anfang: Roman (German Edition)
Spreche ich in Ihrem Sinne?«
»Wie? Was?« Ich benehme mich wie ein Narr im Höllenfeuer, denkt Otto. Es ist heiß hier drinnen, viel zu heiß und dieser dicke verschwitzte Mann will mich wohl verarschen?!
»Lieber Herr Jäckel. Dieser Geschäftsstelle fehlen noch zwanzigtausend Mark Bausparsicherung für den Quartalsrekord. Der Vorstand sieht alles und er schaut genau hin, wenn Sie verstehen. Wie Sie wissen, ist unsere Police BS 202 durch die Turbulenzen auf dem Baumarkt etwas ins Gerede gekommen. Alles nur, weil ein paar Anleger Pech hatten - na ja, die Details sind Ihnen bekannt. Am nächsten Montag wird der Gesamtertrag dieser Police abgerechnet. Der Vorstand hat sich hiervon sehr viel versprochen. Das sind nur noch fünf Tage. Ich würde es Ihnen persönlich hoch anrechnen, wenn Sie die fehlende Summe ...«
Otto ist hellwach. Quartalsrekord! Er hat begriffen. Nun ist das gefragt, was er am besten kann.
In den letzten Wochen war es schwer gewesen, die BS 202 zu verkaufen. Viele Vorhaben standen auf der Kippe, manche Bauunternehmer hatten sich übernommen, andere wechselten auf eine Mittelmeerinsel, Mallorca, die für den Massentourismus entdeckt worden war, beteiligten sich dort an windigen Bauvorhaben, zogen Hotels in die Höhe oder legten Golfplätze an. Wachstum, wohin man blickte, manchmal auch Hysterie, alles war möglich.
Für den Erwerber der BS 202 gab und gibt es drei Optionen: Der Anleger verdoppelt innerhalb eines Jahres sein Geld oder der Anleger legt den Grundstein für Eigentum – ein Haus oder eine Wohnung – oder der Anleger verliert einen Gutteil seines Geldes. Letzteres ist wenig wahrscheinlich und spricht gegen die allgemeine wirtschaftliche Situation. Schließlich ist man in einer Wirtschaftswunderzeit und Ludwig Erhard ist Bundeskanzler.
Dennoch hatte es Gerüchte über eine Rückwärtsentwicklung dieser Anlageform gegeben, was den Verkauf der Police in letzter Zeit erschwert hatte.
Das größte Risiko auf Erden laufen Menschen, die nie das kleinste Risiko eingehen wollen, denkt Otto und so einer ist er nicht, war er nie und wird er niemals sein.
Er hat noch fünf Tage Zeit. Zwanzigtausend Mark sind eine Unsumme Geld. Woher nimmt man sozusagen über Nacht einen interessierten Klienten?
Otto handelt umgehend.
Er tätigt ein paar Anrufe, die zu nichts führen.
Er wälzt seine Unterlagen, blättert sich durchs Telefonbuch, aber die Zeit verrinnt ergebnislos.
Er schwebt mit dem Auto ein paar Runden durch die Innenstadt.
Er setzt sich in ein Café und raucht eine Zigarre.
Ganz mit der Ruhe, fünf Tage sind eine lange Zeit. Da hat er schon viel schneller viel größere Geschäfte getätigt. Allerdings war da auch keine Fußballweltmeisterschaft!
Otto ist angespannt.
Wenn es das ist, was der Landesdirektor in diesem Quartal noch benötigt – so soll er es kriegen. Otto ist sich sicher, dass der Landesdirektor seine Entscheidung, ihn zum Bezirksdirektor zu befördern, vom Erfolg dieser Mission abhängig machen wird. Und der Vorstand sieht alles!
Diese Schweinehunde sind doch alle gleich, erst kluge Sprüche kloppen von wegen Das Leben genießen und einen Kaffee trinken und so, letztendlich zählt nur das Geld, das Renommee, die Profilierung.
Otto weiß, wie er sich entspannen kann.
Er fährt los und parkt den Kapitän etwas abseits.
Zwei versetzte Mauern bilden den Eingang zu dieser Straße, in der sich links und rechts Frauen in Schaufenstern anbieten. Da ist Marita, die ihm zuwinkt, dort Iris, etwas weiter Larissa.
Sie alle sind nicht so süß wie Gina, sind nicht so lieb wie sie, so zauberhaft, so attraktiv, – sie alle sind nicht so selbstbewusst, so insolent, so kess, so ... stark!
Heute entscheidet Otto sich für Iris, zuckersüß und schwarzhaarig, unbeschwert und im Grunde von viel zu hoher Befähigung für einen Puff.
Wenig später, als er von unkonventionellen Spielen aufgelockert durch die sonnenhellen Straßen zu seinem Auto schlendert, entscheidet er, wem er diese Police BS 202, die eigentlich eine Spekulation ist, anbieten wird. Bisher war es sein ungeschriebenes Gesetz, innerhalb der Familie keine Geschäfte zu tätigen.
Der Geist denkt, das Geld lenkt!
Somit wird es Zeit für eine Ausnahme.
3
Die Küche ist in Sonnenlicht getaucht, das Fenster steht offen und von draußen dringen die weichen Geräusche eines Sommermittags ins Zimmer. Es ist warm und kein Luftzug geht.
Oma Käthe sitzt im Sessel und blickt auch nicht auf, als Frank, der sich
Weitere Kostenlose Bücher