Alles auf Anfang: Roman (German Edition)
murmelt Gina.
Frank stupst sie mit dem Ellenbogen an und murmelt: »Bist’n gutes Mädchen, Gina. Mach’ kein Theater draus. Lottchen hat ein verdammt schlechtes Gewissen ...«
»Hat sie auch allen Grund dazu, aber ich halte mich zurück, Frankieboy.«
Otto grinst und tätschelt Gina den Rücken. »Jede gute Geschichte sollte ein Happy End haben.«
Nun umarmt Frank seine Tochter und sie lässt es geschehen, eine Kluft ist zwischen ihnen, die Frank sich nicht erklären kann, obwohl er die Dissonanz körperlich empfindet und zu seiner Freude gesellt sich ein verhangener Schmerz.
Die Augen des Mädchens schwimmen, als sie sich zurück zu Lotte wendet. »Ich werde nie mehr so böse zu dir sein, Mama!«
»Aber Ottilie, warst du doch gar nicht«, sagt Lotte, der es jedoch nicht gelingt, ihre Tochter ein zweites Mal zu umarmen. Was genug ist, ist genug! Außerdem hätte es ja sein können, dass sie mit diesem Italiener ... schließlich ist sie Mutter und hat eine gewisse Aufsichtspflicht und überhaupt ist Ottilie in diesem gewissen Alter.
»Hallo Lotte«, grüßt Gina.
»Hallo, Gina.« Lotte lächelt schräg. «Es ist ziemlich unhöflich, mitten in einem Telefongespräch den Hörer aufzulegen, stimmt’s?«
»Ja, das ist es.«
»Frau Rampf stand die ganze Zeit daneben und hat gelauscht.«
»Dann solltet ihr euch ein eigenes Telefon zulegen.«
»Ja, sollten wir wohl!«
Otto setzt sein Bierglas ab und unterbricht: »Jetzt reicht’s! Denkt immer daran, dass die Familie die einzig natürliche Gemeinschaft ist! Und deshalb ...« Er packt Gina und Lotte an der Schulter und schubst die Frauen gegeneinander. »Drücken und lieb haben, bitteschön!«
Frank blinzelt Tom zu. Der zwinkert zurück.
Was kann es Schöneres geben, als dass die ganze Familie wieder beisammen ist? Und dann auch noch an diesem denkwürdigen Sommernachmittag?
Die ganze Familie?
Oma Käthe ist auch da und lehnt am Tresen - die Handtasche über dem Unterarm, der Dutt säuberlich geknotet, die feine Goldrandbrille auf der Nasenspitze, das Kostüm von derart tadellosem Sitz, so dass man ihre Verwachsung kaum wahrnimmt - und diskutiert mit Vadder Ronsmann. Sehr burschikos. Denn sie liebt Fußball. Da ist sie in ihrem Element. Frank hat sich manches Mal gefragt, ob ihr Interesse mehr dem Spiel oder den Spielern gilt. »Der Beckenbauer ist ein hübscher Kerl«, sagt Oma Käthe. »Aber der sollte sich die Haare mal schneiden lassen.« Und niemand lacht darüber, denn Oma Käthe gilt als echte Kompetenz. Unvergessen ist der Abend, an dem sie – zugegeben, sie hatte schon ein paar Eierlikör intus! – sich mit Eckard Brankowski anlegte. Eckard hatte behauptet, es sei Frauen unmöglich, die Abseitsregel zu erklären und Oma Käthe hatte ihm nicht nur den Wind aus den Segeln genommen, sondern den armen Ecke auch noch damit blamiert, dass dieser sich bei seiner Erklärung verhedderte und so für ein paar Tage zum Gespött von Zeche Kruse/Konstanzia wurde.
Frida tätschelt Oma Käthe im Vorübergehen den Oberarm. »Lang nich gesehen, Käthe. Allet klar in Berlin?«
»Ist eine Scheißstadt, Frida«, antwortet Oma Käthe. In letzter Zeit benutzt sie immer häufiger das böse S-Wort. »Stinkt, ist laut, aber was soll’s. Du weißt ja, wie das ist: Wehe dem, der keine Heimat hat! Und meine Heimat ist weit weg ...«
Nun fang bloß nicht wieder damit an!, denkt Lotte, die Muttels Worte mitgekriegt hat. Bitte keine endlosen Geschichten über Flucht, Vertreibung, böse Russen oder Jupp.
»Gut, dass der Emmerich heute mitspielt, der ist aus Berlin. Dann kann ja nichts schiefgehen«, sagt Oma Käthe und alle lachen.
Die zweite Halbzeit beginnt.
Ottilie hat sich zu Tom gesellt. Bruder und Schwester tuscheln. Frank drückt Gina, Otto hat Lotte im Arm, alle sind sehr glücklich und Frida bringt eine Runde.
Das Spiel plätschert dahin. Man merkt, dass jede Mannschaft befürchtet, ein zu früher Vorstoß sei gefährlich. Besser drei, vier Minuten vor Schluss das zweite Tor schießen.
Noch dreizehn, zwölf Minuten bis zum Spielende. Bleibt es beim Unentschieden, gibt es eine Verlängerung. Nervös geht Frank auf Toms Bitten ein und rückt noch mal drei Groschen für Nüsse raus. Ottilie hat nun auch eine Ochsenschwanzsuppe bekommen und isst, wobei es aussieht, als flattern Schmetterlinge auf ihren Augen. Oma Käthe schimpft wie ein Rohrspatz, wenn mal wieder ein Eckball nicht verwandelt wird, wofür ihr gleichzeitig drei Eierlikör ausgegeben werden, dann
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