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Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Titel: Alles auf Anfang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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stockt allen der Atem. Noch etwas mehr als zehn Minuten und der Engländer Martin Peters drückt den Ball zum 2:1 ins Tor.
    Sekundenlang herrscht Atemlosigkeit.
    »Scheiße auch «, knurrt Oma Käthe,
    »Da leck mich fett«, stöhnt Oskar.
    Andere fangen an zu schimpfen und ab sofort wird jede Bewegung, jeder Ballwechsel mit Aahs! und Oohs! und Seufzern, wilden Bemerkungen und Das gibt’s nich! oder Mich tritt ein Pferd! begleitet. Kaum in der Nähe des gegnerischen Tores, brüllen die Zuschauer, was das Zeug hält, schreien ihre deutschen Fußballer in Richtung des englischen Strafraumes.
    »Frank, Frank! Sag’ doch mal was ...«, jammert Oskar, der schon ganz schön angesoffen dreinschaut. »In einer Minute ist’s aus und diese Inselaffen ...«
    »Quatsch keine Opern! Guck!«, brüllt Frank und reißt die Arme hoch.
    Es ist die letzte Spielminute. Päule rechnet die Deckel aus, Frida putzt Gläser. Gleich ist der Tanz zu Ende. Kein zweites Wunder! Na, macht nichts, die Welt dreht sich weiter und in der Kasse hat’s geklingelt wie lange nicht mehr.
    Dann brüllen alle und einer reißt die Tür auf. Aus Häusern, aus den Fenstern hallen Stimmen durch die Straßen, über die Höfe, durch die Gärten, und es scheint, als stehe Deutschland still.
    Kein Wunder? Warum pessimistisch sein?
    Na, da haben wir es doch!
    Wolfgang Weber hat wenige Sekunden vor Spielende das Ausgleichstor geschossen. Es steht 2:2 und im selben Moment pfeift der Schiedsrichter die offizielle Spielzeit ab.
    Jetzt gibt es kein Halten mehr. Das Bier strömt, als würde ab morgen die Prohibition eingesetzt, Frida und Päule suchen noch die letzten zwei, drei Flaschen Korn zusammen, Frank und Lotte liegen sich in den Armen, Oskar hüpft wie eine Gummikugel durch die Ampel und haut allen auf die Schulter, Tom hat seine Erdnüsse fallengelassen, Otto wirft ein Bierglas um, Gina sieht darüber hinweg, was etwas heißt, Oma Käthe verrichtet Kellnerarbeit, kommt fesch wie ein Backfisch mit einem vollen Tablett rüber zu den Willes und den Jäckels und teilt aus und irgendwer draußen, in einer Seitenstraße, sitzt in seinem Auto und drückt auf die Hupe, das es eine Freude ist.
    Stimmen wirren durcheinander, niemand kann sich mehr auf ein normales Gespräch konzentrieren, denn so was Freunde! SO WAS! haben wir schon lange nicht mehr erlebt. Das ist ja, ist ja – da findet man ja keine Worte. Knorke ist das, knorke!
    Die Stimme des Kommentators überschlägt sich, die Mannschaften sind geschwind in die Kabinen verschwunden. Nun gibt es noch zwei Halbzeiten zu jeweils fünfzehn Minuten.
    Endlich geht es weiter. Schaut mal, wie müde die Kerle sind! Taumeln nur noch, dass es einem Leid tun kann. Aber sie geben alles, der Seeler, der Höttges, der Schulz, Siggi Held, aber auch die Engländer fighten tapfer, der Charlton, der Banks, der Hurst, Bobby Moore.
    Lange Pässe, handfeste Flanken, Beckenbauer nimmt souverän an, tippt den Ball zurück zu Overath, der gibt weiter zu Höttges, Seeler lauert vor dem gegnerischen Tor, klein, rund, mit Beinen wie Stempel, Geoff Hurst schnappt sich den Ball, läuft damit los, gehetzt von deutschen Spielern und kommt zum Schuss.
    Tilkowski im deutschen Tor streckt sich.
    In der Ampel schreien alle auf. Halt die Pocke, Tilkowski! Halt die Pocke!
    Und als hätte er’s gehört, tippen Tilkowskis Finger an das Leder, lenken dessen Flug ab, hoch zur Querlatte. Glück gehabt! Der Ball prallt zurück, klatscht nach unten, vor, auf oder hinter die Torlinie – das sieht niemand und macht ja auch nix! – auf jeden Fall zurück in den Strafraum und Weber köpft die runde Gefahr über das Tor ins Aus. Puh, das war knapp!
    Der Engländer Hunt reißt jubelnd die Hände hoch. Anschließend seine Mannschaftskollegen. Sie alle wollen ein Tor gesehen haben. Die deutschen Spieler winken ab. Ihr wollt uns wohl verarschen?
    Währenddessen der Schiedsrichter – er ist verunsichert, das sieht man, sehr irritiert ist er, denn er will jetzt nichts falsch machen - mit seinem Assistenten Rücksprache nimmt, fällt in der Ampel kein Wort. Sie alle vergessen zu atmen.
    Schiedsrichter Dienst kehrt von der Seitenlinie zurück, verharrt einen endlosen Augenblick - und zeigt auf den Punkt! Er hat für die Engländer ein Tor gegeben, sein Assistent hat den Ball hinter der Torlinie gesehen.
    Die deutschen Spieler protestieren, eine Schlägerei bahnt sich an, Uwe Seeler versucht, die Gemüter zu beruhigen, der Schiedsrichter gestikuliert, das Stadion

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