Alles auf Anfang
muss das Studio des Fotografen gewesen sein. Die Radiatoren liefen auf Hochtouren, und die Luft war schwül, tropisch. Mitten auf dem Boden war eine riesige weiße Plane ausgebreitet. Blaue Eimer mit dampfendem Wasser standen auf der Plane; gelbe Schwämme schwammen auf dem Wasser. Zwölf Männer standen nackt auf der Plane, Drinks in der Hand, plauderten und lachten und flüsterten einander ins Ohr. Dreizehn Männer standen nackt auf der Plane, nachdem mein Begleiter sich zu ihnen gesellt hatte. Das war 1991, bevor Tattoos und Piercings der letzte Schrei waren; jedermanns Haut gehörte noch ihm selbst. Ich erkannte sechs oder sieben Gesichter, namhafte Künstler und Kunstkritiker.
»Alexander!«, rief der Fotograf. »Endlich! Eine Party mit dreizehn Personen ist ein ganz schlechtes Omen. Wir hätten glatt einen umbringen müssen! Leute, das ist Alexander. Alexander, das sind die anderen.«
»Hallo, Alexander«, sagten die Freundlicheren im Chor. Die Übrigen sahen mich nur flüchtig an und setzten ihre Unterhaltung fort.
»Alexander ist ein sehr talentierter junger Bildhauer«, fügte der Fotograf hinzu, der bereits das Interesse an mir verlor.
»Maler«, sagte ich.
»Also«, sagte der Fotograf. »Wer zuerst?«
»Ich«, sagte mein Geleiter. »Mir ist eiskalt.«
»Niemand hat dich angewiesen, eine Dusche zu nehmen«, sagte ein großer, schlaksiger Mann, der eine eckige schwarze Brille trug, ein Kritiker, der für eines der Hochglanzmagazine der Stadt schrieb. »Du wolltest uns nur den Wet-look voraushaben.«
»Sehr gut«, sagte der Fotograf, »sehr gut. Hector ist der Erste. Such dir einen Mann aus, Hector, such dir unter all diesen bildschönen Partygästen einen Mann aus! Wen wählst du?«
Hector blickte direkt auf mich, die brauen Augen umrahmt von langen Wimpern. Jähes Verlangen ließ mich in meinen Stiefeln erschauern.
»Ihn. Alexander.«
Der Fotograf zog die Augenbrauen hoch. »Der Preis geht an den Zuspätgekommenen. Dann mal los, Alexander. Willkommen auf der Party. Komm, stell dich zu uns. Aber bitte hüllenlos.«
Ich legte meine Brille auf den Boden und zog mich nervös aus, war mir der beobachtenden Augen bewusst, als ich mir, auf einem Fuß balancierend, die Stiefel herunterriss. Ich bin nicht schlecht gebaut - ich lief in jenem Jahr den Marathon mit -, aber Hector, nun, Hectors Körper war ein Geschenk, ein Wunder. Kein Mensch sollte so toll aussehen. Das ist nicht gut für die Gesellschaft.
Ich trat auf die Plane, war mir des Schweigens bewusst. Ich war verrückt vor Neugier, und Schüchternheit, und vor allem vor Verlangen.
»Dein Rasierer«, flüsterte der Fotograf. »Wo ist dein Rasierer?«
Ich trottete zurück zu meinen Klamotten und zog das Lederetui aus der Hosentasche. Auf der Plane öffnete ich den Reißverschluss, holte den darin liegenden Schildpattgriff heraus und klappte die Klinge auf.
»Oho«, sagte einer der Umstehenden. Leises, nervöses Gelächter erhob sich in der Runde.
»Weißt du auch, wie man damit umgeht?«, fragte der Kritiker.
»Ja«, teilte ich ihm mit. Und ob ich das wusste. Mein Vater schwor auf Rasiermesser, behauptete, Rasierapparate seien etwas für Schwule und pubertierende Mädchen. Er brachte mir die Technik bei, noch bevor sich bei mir der erste Flaum zeigte.
Hector lächelte. Ich hatte erwartet, dass seine Zähne makellos waren, und das waren sie, so weiß, dass sein Gesicht dagegen dunkler wirkte. »Fang an«, sagte er, »ich vertraue dir.«
Ich kannte die Spielregeln. Er stand wartend da, die Beine leicht gespreizt, die Hände auf die Hüften gestützt. Schon jetzt begann er hart zu werden, und ich wusste, dass es nicht meinetwegen war. Er wurde zur Schau gestellt. Alle Augen waren auf ihn gerichtet; jeder im Raum begehrte ihn.
Ich trug einen der blauen Eimer zu ihm, tauchte einen gelben Schwamm in das Seifenwasser und ging dann um Hector herum, so wie ich im Museum um eine Marmorstatue
herumgehen würde, sah ihn mir genau an, von vorne, von der Seite und von hinten. Ich stellte mich hinter ihn, den Griff des Rasiermessers im Mund wie ein Pirat, drückte den Schwamm aus, verfolgte, wie das Wasser seinen Rücken hinunterlief, die steile Rinne seiner Wirbelsäule hinab, durch die Spalte zwischen seinen Gesäßbacken und an seinen Beinen hinunter, bevor es sich zu seinen Füßen sammelte. Hector wiegte sich leicht vor und zurück, drückte sich jeweils an mich und wieder ab, eine verstohlene, aufreizende Bewegung.
Ich dachte an den ersten
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