Alles auf eine Karte
Die Leute im Lokal waren total aus dem Häuschen. Immer wieder kamen betrunkene Fans an unseren Tisch, um Kristina zu gratulieren. Sie nahm die Glückwünsche dankend entgegen, sorgte aber auf sehr subtile Art und Weise dafür, dass sie von niemandem allzu lange in Beschlag genommen wurde, indem sie strahlend lächelte und »einen schönen Abend noch!« wünschte, worauf sich die Betreffenden vom Acker machten, ohne sich abgewiesen zu fühlen. Das nenne ich Fingerspitzengefühl.
Nach dem Spiel gönnten wir uns in einem Diner, das kaum größer als eine Schuhschachtel war, einen Nachtisch. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie ein so kleines Lokal gesehen, aber Kristina hatte uns die Schokoladenmilchshakes dort so überzeugend angepriesen, dass wir beschlossen, sie auszuprobieren.
Ich hob mein Glas. »Du hattest Recht, Kristina, das ist der leckerste Milchshake, den ich je getrunken habe. Im Ernst. Ich bin verliebt.«
»Na, endlich. Wer hätte gedacht, dass ich das noch erlebe! Darauf müssen wir anstoßen.« Kent prostete mir zu und trank dann genüsslich einen großen Zug von seinem Bananenmilchshake.
Kristina hob eine Augenbraue. »Wer hätte gedacht, dass Sie was noch erleben?«
Mein Herr Kollege deutete mit dem Kopf auf mich. »Na, dass sich Waverly verliebt.«
»Wieso das denn?« Sie sah verdutzt von Kent zu mir. »Was meint er damit, Waverly?«
»Vielen Dank auch, du Nervensäge«, rügte ich Kent. »Könnten wir bitte einfach das Thema wechseln?«
»Nein, jetzt bin ich neugierig geworden. Wieso solltest du dich nicht verlieben?«, hakte Kristina nach.
»Sagen wir einfach mal, Miss Bryson hier ist kritisch bis dorthinaus«, sagte Kent.
Kristina hob eine Augenbraue.
»Mit anderen Worten: Ein Mann müsste schon … nun, so sein wie Sie, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen.«
»So sein wie ich?«, wiederholte Kristina.
»Na ja, die männliche Ausgabe von Ihnen. Sie wissen schon – attraktiv, clever, sportlich, sympathisch, das ganze Programm eben.«
Ich boxte Kent in den Arm. »Sieh mal einer an, da hat aber jemand seine Schüchternheit überwunden.«
»Schnauze, Bryson«, befahl Kent. »Für Waverly ist einfach kein Mann gut genug. Fragen Sie sie selbst.«
»Ist das wahr, Waverly?«, wollte Kristina wissen.
»Nein, ist es nicht«, entgegnete ich mit einem bösen Blick zu Kent.
»Ist es wohl«, beharrte er.
»Ist es nicht«, widersprach ich.
Kent nahm einen weiteren Schluck von seinem Milchshake. »Du weißt genau, was Dave immer sagt, Waverly: Du hättest sogar an deinem Märchenprinzen noch etwas auszusetzen.«
Ich verdrehte die Augen. »Oh, Mann, ich kann es nicht mehr hören! Ich wünschte, ich bekäme jedes Mal einen Dollar, wenn Davey diesen dämlichen Spruch bringt.«
»Keine Sorge, Waverly.« Kristina tätschelte mir die Wange. »Du kennst ja meine Meinung – ich finde, du machst dich auch ohne Mann ganz wunderbar.«
»Danke.« Ich strahlte sie an. »Der Meinung bin ich auch.«
*
Ende Juli begann die landesweite Auslieferung meiner Karten. Wir hatten natürlich gehofft, dass sie sich gut verkaufen würden, aber wir hatten nicht damit gerechnet, dass sie einen derartigen Hype auslösen würden.
Ich weiß nicht genau, warum, aber meine Süßen Grüße avancierten zum absoluten Must-have bei Singlefrauen, und die Nachricht über diese neue Art von Grußkarten schien sich wie ein Lauffeuer zu verbreiten. Es war, als hätte ich eine neue Harry-Potter-Reihe geschrieben, mit dem Unterschied, dass jede Ausgabe bloß zwei Seiten lang war und von sexuell frustrierten Singlefrauen statt Zauberlehrlingen handelte.
Bei K.A. Marketing war ich wochenlang Gesprächsthema Nummer eins. Genauer gesagt, ich musste mir unzählige blöde Sprüche anhören, aber ich wusste ja, dass sie im Grunde nett gemeint waren. Alle schienen sich aufrichtig für mich zu freuen. Alle bis auf Mandy Edwards natürlich.
Wir liefen uns eines Morgens in der Küche über den Weg.
»Tag, Waverly. Sieht so aus, als wäre deine Grußkartenserie ein voller Erfolg.«
Ich lächelte. »Ja, danke, Mandy.«
»Ist bestimmt ganz witzig, sein eigenes Produkt zu vermarkten«, sagte sie.
Ich zuckte die Achseln. »Es ist ganz okay. Macht jedenfalls mehr Spaß, als sich mit Datensicherungssystemen oder Computernetzwerken zu beschäftigen.«
»Und wie haben die Leute bei JAG darauf reagiert?«
Ich beäugte sie misstrauisch. »Warum fragst du?«
»Na, ich könnte mir vorstellen, dass sie nicht begeistert sind, wenn du so viel
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