Alles auf eine Karte
Freundin freue. Dann beugte er sich zu mir rüber und drückte mich kräftig an sich. »Hi, Waverly. Schön, dich zu sehen.«
»Happy birthday, Mister Ob-er-arzt«, intonierte ich in bester Marilyn-Monroe-Manier. »Herzlichen Glückwunsch, du Genie. Reife Leistung.«
»Ach, danke.« Er grinste breit. »Und, was kann ich den Damen zu trinken bringen?«
Nachdem wir vier Stunden lang ausgiebig gefeiert und getanzt hatten, gingen wir zu Pizza Orgasmica in der Fillmore Street, beliebter Treffpunkt für betrunkene Nachtschwärmer. Wir bildeten da keine Ausnahme.
»Du kommst doch zu meiner Silvesterparty, Waverly?«, erkundigte sich Hunter.
Ich streckte ihm die Hand hin. »Gestatten, Waverly Bryson.«
»Waverly boykottiert Silvester«, erklärte McKenna ihrem Freund.
»Du boykottierst Silvester?«, wiederholte dieser, an mich gewandt. »Warum denn das?«
»Warum denn was?«, fragte ich.
»Warum boykottierst du Silvester?«
»Entschuldige, hast du etwas gesagt?«, fragte ich.
»Waverly …«, ermahnte mich McKenna.
Ich legte mein Stück Pizza ab. »Okay, ich erklär’s euch. Ich mag zwar vergessen haben, wie das Leben als Single so ist, aber ich weiß noch ganz genau, dass es nichts Schlimmeres gibt, als an Silvester Single zu sein.«
»Du übertreibst mal wieder maßlos«, sagte McKenna.
»Ach, ja? Dann verrate mir eines: Wann ist es sonst noch so unbeschreiblich wichtig, das perfekte Kleid zu tragen und um Schlag Mitternacht den perfekten Mann zu küssen? Der Druck ist schier unerträglich! Als müsste man immer wieder zum Abschlussball antreten, nur ohne die Betonfrisur.«
»Ah, ja, ich erinnere mich an die Fotos von deinem großen Abend.« Sie kicherte. »Autsch.«
»Klappe halten!« Ich zeigte drohend mit dem Finger auf sie. »Du magst zwar Recht haben, aber trotzdem: Klappe halten.«
»Du musst kommen, Waverly«, drängte Hunter. »Es wird bestimmt lustig. Und wer weiß, vielleicht fängt das neue Jahr für dich ja mit einem anständigen Kuss an.«
»Und vielleicht kannst du dich diesmal am nächsten Tag sogar noch an den Küsser erinnern«, fügte McKenna hinzu.
»Touché«, erwiderte ich lachend. Im selben Moment bemerkte ich, dass ich einen großen roten Klecks auf der Brust hatte. »Ach, Mist.« Ich nahm eine Serviette, um die Tomaten-Käse-Mischung von meiner Bluse zu tupfen.
»Hi, Waverly! Hi, McKenna! Frohe Weihnachten!«
Wir sahen hoch. Brad Cantor stand an unserem Tisch. Allein. Er ist immer allein, ganz egal, wo oder zu welcher Tages- oder Nachtzeit man ihm begegnet.
»Das darf doch echt nicht wahr sein!«, murmelte ich verhalten.
»Wie, bitte?«, fragte Brad.
»Äh, hallo Brad. Ich habe nur gerade geflucht, weil ich gekleckert habe.« Ich deutete auf den Fleck auf meiner Bluse.
»Ach, der fällt doch kaum auf, Waverly. Schöne Bluse übrigens. Darf ich mich zu euch setzen?« Ehe ich protestieren konnte, hatte Brad auch schon neben mir Platz genommen und lächelte in die Runde. McKenna barg das Gesicht an Hunters Schulter und versuchte, nicht laut loszuprusten.
Okay, Bluse. Das war deine letzte Chance. Morgen kommst du in die Altkleidersammlung.
*
Am Nachmittag des einunddreißigsten Dezember begannen meine Nerven mit mir durchzugehen. Aaron würde in wenigen Stunden heiraten, und ich wusste noch nicht einmal, wen ich um Mitternacht küssen würde.
McKenna half Hunter bei den Vorbereitungen für seine Party, also rief ich Andie an.
»Ich bin kurz davor, durchzudrehen«, sagte ich.
»Tief durchatmen. Tief durchatmen«, beruhigte sie mich. »Du musst nur noch den heutigen Abend überstehen, dann kannst du morgen in ein brandneues Jahr starten.«
Ich nickte. »Stimmt, ich muss bloß noch den heutigen Abend durchstehen. Das kriege ich hin. Hast du irgendwelche guten Ratschläge für mich?«
»Du kennst doch meinen Standardratschlag für jede Lebenslage.«
»Wer sich die Kerle schönsäuft, ist nicht auf Amors Hilfe angewiesen?«
»Genau. Du weißt, dass ich Recht habe. Und für heute Abend werden wir dir einen passablen Knutschkandidaten suchen, um den Schmerz zu lindern. Du machst das schon.«
»Meinst du?«
»Nun, realistisch betrachtet wirst du wahrscheinlich früher oder später das heulende Elend kriegen, aber dafür habe ich vollstes Verständnis. Versuch einfach, möglichst locker zu bleiben. Gemeinsam schaffen wir das.«
Ich musste lachen. »Das heulende Elend?«
»Hey, dir war doch klar, dass ich kein Blatt vor den Mund nehmen würde, als du zum Telefon gegriffen
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