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Alles auf eine Karte

Titel: Alles auf eine Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Murnane
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ich will nicht, dass ihr euch das meinetwegen entgehen lasst.«
    »Sicher?«
    Ich griff nach einer der Zeitschriften und scheuchte sie damit hinaus. »Ganz sicher. Und jetzt raus hier, ich muss dringend nachlesen, was sich im Leben der Stars in letzter Zeit so getan hat.«
    »Okay, okay, ich geh ja schon, aber ich komme gleich morgen früh vorbei, um nach dir zu sehen.«
    Ich lächelte. »Danke, Mackie.«
    Und so kam es, dass ich den letzten Abend des Jahres, an dem mein einst so perfekter Exverlobter seine Vermählung mit einer anderen feierte, zu Hause auf dem Sofa verbrachte, mit meinem DVD-Player und meinen Schmerztabletten. Keine Riesenparty, kein perfektes Kleid, kein perfekter Kuss. Und ich hatte noch nicht einmal eine Packung Eiscreme im Tiefkühlfach.
    Das kommende Jahr musste einfach besser werden.

 

    Du fragst dich, wann du endlich wissen wirst, was du mit deinem Leben anfangen willst?
    Süße, ich weiß noch nicht einmal, was ich heute zu Mittag essen soll.
    KAPITEL 11
    Mein erster Arbeitstag nach den Feiertagen war … richtig scheiße. Ich weiß, das klingt schrecklich vulgär, aber es ist unbeschreiblich mühsam, sich auf Krücken fortzubewegen. Als ich gegen acht Uhr morgens endlich geduscht und angezogen war und die erforderliche Dosis Koffein intus hatte, war ich so erledigt, dass ich mich am liebsten gleich wieder ins Bett gelegt hätte.
    Sobald ich auf die Straße trat, schlug mir die eiskalte Januarluft mit einer Wucht ins Gesicht, als hätte mich die Faust von Mike Tyson erwischt. Ich hatte mir das Deckhaar am Hinterkopf mit einer dicken silbernen Spange zu einem losen Knoten festgesteckt und bereute es sogleich, denn meine bis auf ein paar Strähnen unbedeckten Ohren waren binnen Sekunden tiefgefroren und fühlten sich an, als würden sie bei der geringsten Berührung abbrechen. Ich konnte nur hoffen, dass meine Frisur so wirkte, als wäre die lässige Zerzaustheit gewollt. In Wahrheit war ich völlig fertig. Nachdem ich eine ganze Woche im Pyjama auf der Couch herumgelegen hatte, waren meine Haare wirklich das Letzte, um das ich mich im Augenblick kümmern konnte und wollte.
    Ich hatte alles, was ich normalerweise in meiner Handtasche trug, in einem Rucksack verstaut, und als ich nun so mit diesem Ding auf dem Rücken die Straße entlanghumpelte, fühlte ich mich unversehens in die Zeit an der Highschool zurückversetzt, als Rucksäcke noch genauso selbstverständlich zur alltäglichen Ausstattung gehörten wie diese unseligen, mit buntem Stoff bezogenen Haargummis. Ich kam mir vor, als würde ich auf dem Weg zum Chemieunterricht noch schnell meinem Spind einen Besuch abstatten. Ich summte die ersten Takte von Tearin’ Up My Heart von ’N Sync, doch dann fiel mir ein, dass die Schüler, die heute im Highschool-Alter sind, vermutlich noch Windeln trugen, als diese Band auf dem Zenit ihrer Popularität war. Ein Gedanke, bei dem ich mich auf einen Schlag neunzig Jahre alt fühlte und unsanft aus meinem morgendlichen Tagtraum erwachte.
    Ich bewegte mich so langsam fort, dass ich praktisch zusehen konnte, wie das Gras wuchs. Der Weg von der Fillmore Street hinunter zur California Street ist leicht abschüssig, und ich hatte panische Angst, auszurutschen und wieder hinzufallen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich endlich die Bushaltestelle erreicht und begab mich ans Ende der Warteschlange. Ich würde den Bus der Linie 1 nehmen, besser bekannt unter dem Namen Chinatown Express, weil er durch ein Viertel fährt, das man auf den ersten Blick mit Fug und Recht für einen Vorort von Peking halten könnte. Ich wusste, ich sollte mir eigentlich ein Taxi leisten, aber da ich mir auf so absolut lachhafte Art und Weise den Knöchel gebrochen hatte, war ich wild entschlossen, zum Ausgleich ein Übermaß an Selbstständigkeit und Stärke zu demonstrieren, indem ich auf diesen Luxus verzichtete.
    Folglich blieb mir gar nichts anderes übrig, als ein öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen.
    Als ich einstieg, sprang sofort ein junger Mann mit Milchbubigesicht und einem viel zu großen Anzug auf und bot mir seinen Platz an. »Hier, setzen Sie sich doch.«
    »Äh, vielen Dank.« Nicht zu fassen, wie jung er wirkte. Vermutlich ein Schüler, der gerade irgendein Praktikum absolvierte. Ich ließ mich auf den Sitz plumpsen und hoffte, dass niemand über mein Gipsbein stolpern würde. Dann sah ich durch das Fenster zum dunkelgrauen Himmel empor. Hm, so düster hatte es, als ich vorhin losgegangen war, aber

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