Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
prahlt Fabio.
»Echt? New York, Paris, Sepiana. Klingt wirklich verlockend. Aber ich bin jetzt mit den Jungs im Pico Bello verabredet. Unseren K. o.-Sieg feiern.«
»Wir hätten euch noch richtig fertiggemacht«, meint Fabio. Ich grinse ihn an.
Bevor wir gehen, drückt Lena mir einen langen Kuss auf den Mund. Das hat sie vor Fabio noch nie gemacht. Sie stülpt sich den Helm über, und ich schließe den Wohnwagen ab, dessen Schlüssel sich seit Willis Reparatur geschmeidig drehen lässt.
Die beiden fahren im Schritttempo neben mir her, während ich ins Pico Bello rübergehe. Kurz vor der Kurve dreht Fabio lässig den Gashebel auf, und Lena winkt mir noch kurz.
»Meld dich mal zwischendurch, vielleicht komme ich noch nach«, rufe ich ihr hinterher, was angesichts von Fabios frisierter Kiste allerdings ziemlich unsinnig, weil nicht hörbar ist.
Die übrigen Fußballhelden sitzen an einem langen Tisch auf der Terrasse. Wie schon heute Morgen sind wir mit zwölf Mann angetreten, und als ich dazukomme, empfangen sie mich wie den Siegtorschützen eines WM-Finales.
»Der Killer!«, jubelt Bürgermeister Helmut.
»So, Jung, jetzt trink dir erst mal einen Begrüßungsgrappa«, drängelt Willi, als ich mich setze.
Helmut hat mit Ercole heute Nachmittag schon ein Deutschland-Menü zum Festpreis ausgehandelt, Bier inklusive: üppige Speckplatte als Vorspeise, danach Schnitzel mit Bratkartoffeln und zum Dessert Spaghetti-Eis. Das kennt Ercole bestimmt noch aus seiner Zeit im schönen Hessen.
Aus den Lautsprechern läuft jetzt »Un Estate Italiana« von Gianna Nannini und Edoardo Bennato, der Song zur WM 1990, als Deutschland in Italien Weltmeister wurde. Das passt natürlich wie die Faust aufs Auge oder der Ball in Weichteile, und ich muss sagen, dass ich Ercoles subtilen und damit eher unitalienischen Sinn für Humor wirklich vermissen werde, wenn wir in einigen Tagen abreisen.
Es ist ein lauer Abend mit Temperaturen wie im Hochsommer. Selbst der leichte Wind bläst so warm wie ein Heizlüfter. Sahara-Wind, hat Ercole gesagt.
Je länger wir hier sitzen, umso enthemmter wird die Stimmung an unserem Tisch. Nach dem Schnitzel und seinem vierten Grappa beginnt der sonst eher zurückhaltende Horst wie im Stadion zu skandieren: »Hier regiert Ger-ma-ni-a«, und der Bürgermeister klatscht dazu im Takt. »Denen haben wir’s gezeigt«, sagt Helmut, und mit jedem Bier fühlt sich das 1 : 3 nicht mehr nur so an wie ein Sieg, es wird mit heiligem Ernst dazu erklärt. Die Zona Dragona ist Weltmeister.
Ob sich deshalb kaum Italiener im Pico Bello blicken lassen? Dafür, dass in den letzten Tagen so viele neue Gäste angekommen sind, ist es erstaunlich leer auf der Terrasse. Offensichtlich fällt heute Abend auch die Animationsshow aus. Jedenfalls habe ich den Gattuso-Tintenfisch-Typen noch nicht gesehen. Ehrlicherweise lege ich auch wenig Wert auf eine weitere Konfrontation. Mein Schienbein hat immer noch Schrammen.
»Ihr müsst nächstes Jahr unbedingt um diese Jahreszeit wiederkommen«, sagt der Bürgermeister und schaut dabei besonders lange mich an. »Ich will zur Revanche mit dem gleichen Team antreten.«
»Wenn’s nach Lena ginge, würden wir hierherziehen«, sage ich. »Klar kommen wir wieder, aber vorher muss ich noch mal bei Fritz Berger vorbei. Und dann werdet ihr staunen, wie wir ausgestattet sind.«
Willi schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. »Um Himmels willen! Was auch immer du kaufst, lass mich das einbauen, okay? Sonst haben wir den nächsten Stromausfall, oder du fackelst gleich den ganzen Platz ab.«
»Ey, komm, ich habe jetzt fast eine Woche ohne größere Zwischenfälle geschafft. Gebt mir noch einen Urlaub, und ich bin Profi.«
»Das will ich sehen«, nuschelt Herbert, der schon nicht mehr ganz nüchtern ist. »Vergiss bloß nicht, Bescheid zu geben, bevor ihr fahrt.«
Das gute Warsteiner a la spina hinterlässt inzwischen immer deutlichere Spuren in den Gesichtern meiner Mannschaftskameraden. Horst kriegt kaum noch die Augen auf, er hat ja auch beim Grappa ordentlich hingelangt. Herbert hängt einigermaßen zusammengesunken auf seinem Stuhl. Da kommt Ercole mit einer finalen Runde Limoncello. Ingo verdreht die Augen: »Okay, den einen noch, aber dann muss ich los. Unsere Monster sind spätestens um sieben wieder wach.«
Alle spülen den gelben Kleber runter und schütteln sich. Ingo rappelt sich auf, und für die Rentner ist das ein prima Alibi, auch ins Bett zu gehen, wenn schon einer von
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