Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
Die Italiener hatten leider keinen Ersatztorwart im Aufgebot, außerdem sind sie fast alle hinter Fabio hergefahren, um ihm bei Dr. Cevani das Händchen zu halten. Schade eigentlich. Ich war mir ja ziemlich sicher, wir hätten gegen diesen moralisch desolaten Gegner unseren Rückstand noch ganz locker aufgeholt. Und auch der Bürgermeister meinte, immerhin könne von einer Niederlage nicht die Rede sein. Es war ein gefühlter Abbruch-Sieg. Wie beim Boxen, wenn der Trainer das Handtuch wirft.
»Das hast du doch mit voller Absicht gemacht«, brüllt Lena. »Ich hab’s doch gewusst – du hasst ihn!«
»Es tut mir leid.« Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz in diesem Urlaub schon gesagt habe. »Das ist Fußball. Da passiert so was schon mal.«
»Es passiert immer nur dir. Alles passiert immer nur dir!«
»Ich hätte wirklich viel lieber das Tor geschossen, das kann ich dir sagen.«
»Ach, jetzt hör mir doch auf mit deinem Fußball-Scheiß!«
Mitten in unserem Streit kommt der Willi um die Ecke. Er ist auf dem Rückweg von der Dusche und wollte mal nachsehen, ob mich mein schlechtes Gewissen noch quält. In seiner Anwesenheit scheint sich Lena allmählich wieder zu beruhigen.
Willi sagt: »Selbst schuld. Als Torwart muss er doch einen Eierbecher tragen.«
»Einen was?«, fragt Lena.
»Ein Suspensorium«, versuche ich zu erklären. »Das trägt man als Sportler, um seinen Dingens zu schützen.«
»Ihr seid echt geschmacklos. Typisch Männer.«
»Meine Güte, dann fahr ihm halt auch gleich hinterher. Ich werd ihn schon nicht zum Eunuchen gemacht haben.«
Willi wiehert vor Lachen wie ein Pferd.
»Okay, ich geh jetzt vor zu Ercole, der hat ein Festnetz. Dann ruf ich Fabio an.«
»Darf ich mit?«, frage ich. »Ich will doch auch wissen, wie’s ihm geht.«
Ercole kriegt das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht. Es ist wie eingemeißelt. Lena steht hinter der Theke an seinem Telefon und spricht schon seit einer Viertelstunde mit Fabio.
»Marco, Respekt, das hast du gemacht wie eine echter Italiener.« Er gibt mir einen ordentlichen Klaps auf die Schulter.
»Wie meinst du das?«
»Na ja, wenn du … wie sagt ihr für eine rivale ?«
»Schon richtig, Rivale. Oder Nebenbuhler.«
»Nebenbuhler, genau. So musst du ihn ausschalten. Da, wo es ihm am meisten weh tut. Hähähä. Mit seinem cazzino kann der heute bestimmt nix mehr anfangen«, sagt Ercole.
»Na ja, das war eigentlich nicht der Plan. Aber im Prinzip hast du natürlich recht.«
Im Fernsehen schwebt wieder eine blonde Assistentin die Showtreppe herunter. Sie trägt eine überdimensionierte Karte vor sich her wie ein Nummerngirl in der Ringpause eines Boxkampfs.
»Und?«, frage ich, als Lena sich zu uns an den Tisch setzt. »Redet er jetzt schon zwei Oktaven höher?«
»Du bist wirklich blöd. Jetzt mach dich nicht auch noch lustig. Der hat schlimme Schmerzen, aber es geht ihm schon wieder besser.«
Ercole stellt Lena ungefragt einen Cappuccino hin: »Ihr Deutschen spielt immer, als ist Fußball eine Krieg.«
»Ich habe Fabio versprochen, dass wir heute Abend mit ihm in Sepiana ausgehen«, sagt Lena.
»Bist du sicher, dass er auf meine Anwesenheit Wert legt?«
»Jetzt kannst du Lena allein gehen lassen«, lacht Ercole, »hast ja nix mehr zu befürchten.«
Am Abend knattert Fabios Vespa vor unserem Wohnwagen. Und er sieht schon wieder verdammt fit aus. Der italienische Simulant.
Diesmal hat er seine Sonnenbrille im Ausschnitt seines T-Shirts drapiert. Ich kann mir schon vorstellen, was für eine quälende Entscheidung das für ihn gewesen sein muss: In die Haare kann er sie wegen des Helms nicht stecken, sie in der Dunkelheit aufzusetzen, ist auch keine gute Idee. Und die Vespa stehen lassen? Kommt schon gar nicht in Frage.
»Bellissima!«, ruft er und breitet die Arme aus wie einer von Ercoles Nachmittags-Showmastern. »Und da ist ja auch der Panzer.«
»Ehrlich«, sage ich. »Es tut mir wirklich leid.«
Fabio greift sich in den Schritt. »Passt schon, ist schon wieder alles an der richtigen Stelle.« Dabei schnalzt er wie ein Reiter, der sein Pferd anspornt. Zumindest kratzt er sich nicht mehr da unten.
»Wenn du willst«, sage ich, »gebe ich dir noch einen Eiskugelbeutel mit. Kannst du dann in die Unterhose stecken.«
Bevor er etwas sagen kann, nimmt Lena meine Hand. »Kommst du mit?«
»Wir gehen später noch ins Inferno, da legt einer meiner besten Kumpels auf. Der spielt normalerweise nur in New York und Paris und so«,
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