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Alles bestens

Alles bestens

Titel: Alles bestens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Doelling
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an der Schönhauser. Ich kam nur mühsam von der Stelle. Dazu Beschwerden weiter oben, Kopfschmerzen, Magenknurren, Vaterscham. Ich hatte nicht gewusst, dass man sich für jemand anders so stark schämen konnte!
    Ich wandelte zwischen all den Shoppern und Shopperinnen, die mit Tüten und Taschen beladen aus den Läden strömten, roch Ditsch -Brezeln, Pizza, Parfüm und den neuen Whopper .
    Vor Rudi’s Resterampe blieb ich stehen und versuchte, das Gelbe auf einer Fußmatte abzustreifen, aber es zog nur Dreck und Krümel von der Matte an. Wenigstens klebte es jetzt nicht mehr so. Dafür blieb der Anblick von meinem Alten mit Schwester Sabine vor meinen Augen kleben. Am liebsten hätte ich dieses Bild heruntergerissen wie ein altes Poster. Aber ich konnte nichts tun, nicht mal meine Hände heben, ich konnte nur gehen, sonst wäre ich umgefallen. Ich blieb vor einem Reformhaus stehen. Rotbäckchen , Rotkohl, Doktor Hauschkas Rosencreme. Eine Frau mit hellblonden Haaren und hellblauen Augen cremte sich das Gesicht damit ein. Wahrscheinlich hatte sie in ihrer Jugend jeden Tag Rotbäckchen getrunken, denn ihre Wangen leuchteten gesund, ihr Teint war frisch und der Rotkohl hatte ihre Verdauung prima geregelt, sodass sie mit 45 noch jungfräulich aussah, rein und unschuldig. Ich hätte sie gern ausgeschnitten und mitgenommen, sie beschützt, vor übermäßiger Sonneneinstrahlung im Schaufenster. Ihre Titten waren schon angebrannt. Ich hätte auch gern die Rosencreme von Doktor Hauschka gekauft, ohne Chemie, mit Mondlicht behandelt, biodynamisch, für meine arme Mama, aber ich hatte nur diese verdammten 50 Cent in meiner Hand. Dafür bekam ich nicht mal einen Tester. Klauen traute ich mich nicht. Was war ich doch für ein feiger Hund! Dabei wollte ich ihr doch was Gutes tun. Als wenn das was retten könnte! Leute, ich fühlte mich schuldig für meinen Alten!
    Ich wollte die 50 Cent so schnell wie möglich loswerden, mich freikaufen von meiner Schuld; endlich kam ich auf die Idee, mir von den 50 Cent ein Eis zu gönnen. Eine Kugel Stracciatella. Da fiel mir wieder ein, dass das Geld von meinem Alten war. Aber Geld stinkt nicht. Das hatte schon Vespasian, dieser römische Kaiser, gesagt. Ich roch an dem 50 -Cent-Stück, und tatsächlich, es stank nicht, nicht mal nach dem Rasierwasser von meinem Alten.
    Nach dem Eis hörten meine Beschwerden auf. Ich glaube, Leute, ich war einfach schlichtweg unterzuckert. Manchmal ist das Leben ja so trivial, auch wenn andernorts Bomben fallen, sich Selbstmörder in die Luft sprengen und der UNO -Generalsekretär sich um den Weltfrieden bemüht.
    Ich beschloss, aufs Badeschiff zu gehen, um in Ruhe über meine Zukunft nachzudenken. In der S-Bahn roch ich schon das Wasser. Ihr könnt mir glauben, ich wäre am liebsten untergetaucht, in ein heiliges Nass, das mich rein wäscht. Kein Zuhause ist frei von Keimen, auch wenn es sauber aussieht, es sind immer noch Keime vorhanden …
    In der Scheibe mir gegenüber sah ich mich, mit tiefen Ringen unter den Augen. Durch die Ringe hindurch erkannte ich einen Kleiderschrank, so einen, wie meine Eltern ihn in ihrem Schlafzimmer stehen haben. Langsam öffnete sich die Tür. Die U -Bahn quietschte. Da sah ich meine Mama, zusammengekauert und nackt saß sie in dem Schrank und hatte Lukas Schnuller im Mund …

H20
    Mein Herz raste. Meine arme Mutter im Kleiderschrank! Jetzt tauchten auch noch zwei Kontrolleure vor mir auf und verlangten meinen Fahrausweis. Weil ich meine Monatskarte nicht dabeihatte, wollten sie meinen Personalausweis sehen. Weil ich meinen Personalausweis nicht dabeihatte, musste ich schon vor meinem Fahrziel aussteigen. Der Typ stank nach verdunstetem Korn, und die Frau sah aus, als hätte sie ihre letzten neun Babys unter der Terrasse verbuddelt, entsprechend charmant benahmen sie sich. Zum Glück schleppten sie mich nicht in irgendein Kabuff, um mich zu foltern. In meinem Alter hat jeder Arsch eine Monatskarte! Endlich schnallten sie das und ließen mich gehen, mit der Auflage, meine Karte innerhalb der nächsten 24 Stunden in der Hauptgeschäftsstelle vorzulegen.
    »Mal sehen, was sich machen lässt«, sagte ich, und einen Augenblick dachte ich, für diese Antwort bringen sie mich jetzt nach Guantanamo. Nachrichtenparanoia, ihr kennt das bestimmt.
    Ich stieg in die nächste U -Bahn wieder ein, weil ich zu schwach war, um zu laufen. Die Vaterbilder mit Schwester Sabine waren dem Mutterbild mit Schnuller gewichen. Wie konnte sich so

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