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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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drinbleibt, wenn wir Sand, Kies und grobe Verunreinigungen rausgenommen haben, alte Fahrräder und so.«
    »Was macht ihr damit?«
    »Der Schlamm geht gleich hier rein, hier unter uns in die Türme. Das Wasser pumpen wir nach hinten in die Belebtschlammbecken. Die beiden rechteckigen.«
    »Die aussehen wie Schwimmbäder?«
    »Genau. Da blasen wir Luft durch. Bis zu 34000 Kubikmeter pro Stunde, je nach Last.«
    »Was für Last?«
    »Der Dreck, verstehst du, das ist die Last, die Belastung für die Anlage.«
    »Die Luft versorgt die Bakterien, die den Dreck abbauen.«
    »Ja.«
    Galba hatte den Faden verloren. Das Ganze war also nur raffinierte Verhörtechnik. Weiß hatte sich informiert, wusste über die Abwasserreinigung, was er kriminaltechnisch wissen musste … Warum? Um ihn, Galba, während er ihn ausfragte wie der aufgeweckte Vierzehnjährige, der das Referat »Unsere Abwasserreinigung« in Bio vorbereitete – na, was wohl? – in Widersprüche zu verwickeln. Galba konnte sich nicht vorstellen, was das für Widersprüche sein könnten, aber gerade darin bestand ja die Perfidie der Methode.
    »Was passiert einem, der da reinfällt?«, fragte Weiß.
    »Der geht unter wie ein Stein. Weil die Flüssigkeit so viele Luftbläschen enthält, ist der Auftrieb viel geringer als in normalem Wasser. Das ist übrigens auch der Grund für das Verschwinden der Schiffe im Bermudadreieck …«
    »… Weil Außerirdische von unten Luft in den Atlantik einblasen?«, fragte Weiß. Aber er grinste dabei. Galba ging darauf ein, zwang sich zu einem Lächeln.
    »Nicht wirklich. Es sind keine Außerirdischen, und es ist auch keine Luft, sondern Methan, das als Hydrat in großer Tiefe gebunden vorliegt und durch Seebeben frei wird – aber sonst hast du recht.«
    »Wusst’ ich’s doch! Was nun den armen Mathis betrifft: Wenn er da reingefallen wäre …«
    »… hätten wir das längst gemerkt. Wir blasen ja nicht ununterbrochenLuft in diese Becken. In den Pausen wäre er wieder aufgetaucht …«
    »… Aber nachgeschaut habt ihr noch nicht?«
    »Offen gestanden, nein … Wir stehen nicht am Rand und gucken den Bakterien bei der Arbeit zu. Das ist eine hochtechnologische Anlage, wir sehen alles, was wir wissen müssen, auf Monitoren …«
    »Was ist mit den anderen Becken?«
    »Die werden geräumt – von unseren Räumbrücken. Aber natürlich auch nicht dauernd … Also gut, ich werde Spezialtaucher anfordern … Man sieht hier nicht überall bis auf den Grund …«
    »Die Idee mit den Becken scheint dich zu überraschen«, sagte Weiß. Galba antwortete nicht, Weiß schien auch keine Antwort zu erwarten, wandte den Blick wieder auf die Becken unter ihm.
    »Was ist mit den anderen runden Becken?«, fragte er nach einer Weile.
    »Welche meinst du …«
    »Du hast gesagt, die zwei hier vorn sind die Vorklärbecken, die rechteckigen sind die mit den Bakterien, da sind aber noch sechs runde weiter hinten.«
    Galba erklärte, es handle sich um die Nachklär- und die Sedimentationsbecken für die chemische Stufe, jedes 5400 Kubikmeter groß und so weiter und so fort; er referierte Funktion und Abläufe, wie er das schon ungezählte Male vor irgendwelchen Delegationen aus dem In- und Ausland getan hatte, aber er war mit den Gedanken woanders. Bei dem peinlichen Umstand nämlich, dass er von den zahlreichen Becken der Anlage kein Sterbenswörtchen erwähnt hatte. Obwohl es doch auf der Hand lag: acht riesige, offene Behälter, in die man hineinstürzen konnte. Eben deshalb war ja auch alles mit einemzwei Meter fünfzig hohen Maschendrahtzaun umgeben, oben mit Stacheldraht verstärkt, damit nicht irgendwelche Wahnsinnigen bei Nacht auf dem Gelände herumspazierten und zu Tode kamen. Jedem Laien musste die Verbindung verschwundende Person und Klärbecken ins Auge springen. Erst recht jedem Fachmann. Der Fachmann, der diese Hypothese als Erster hätte formulieren und testen sollen, war ohne allen Zweifel der Betriebsleiter Dipl.-Ing. Anton Galba. Dem war das aber nicht eingefallen. Warum nur? War Dipl.-Ing. Galba unfähig, phantasielos, krank? Davon traf nichts zu. Wenn er aber von den Becken nichts erwähnt hatte, wenn es ihm nicht eingefallen war – wie er nach eingehender Befragung zugeben würde (was sonst sollte er sagen?) –, wenn von Dipl.-Ing. Galba nicht der Hauch eines Hinweises auf die diversen Becken gekommen war, dann doch wohl nur deshalb, weil er wusste , dass sich Mathis nicht in denselben aufhielt, nicht in den Vorklär-, nicht

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