Alles Fleisch ist Gras
Indikativ. Das heißt, dass ihn jemand, der sich hier gut auskennt, da reingestopft hat!«
»Nein, ich meine schon würde . Konjunktiv. Man müsste den Turm stilllegen. Dann das ganze Zeug abpumpen. Eine Betriebseinschränkung größten Ausmaßes. So etwas hatten wir noch nie … Man müsste den Schlamm auf andere Kläranlagen verteilen – mit Tankwagen. Kannst du dir vorstellen, was das für eine Schweinerei ist?«
»Und es müsste relativ schnell gehen. Bevor er sich aufgelöst hat …«
»Du bist gut informiert.«
»Ich hab mich umgehört. Ist ein Teil meiner Jobbeschreibung, dieses Umhören. Die Knochen würden wir finden, die Knochen brauchen elend lang, hat man mir gesagt …«
»Da hat man dir aber nicht die ganze Wahrheit gesagt. Wozu, glaubst du, ist der Motor an der Turmspitze?«
»Für ein Rührwerk?«
»So ähnlich. Die Leute hören Rührwerk und stellen sich eine Art Mixer vor. Auf diese Weise umzurühren, wäre viel zu energieaufwendig. In der Längsachse des Turms ist ein Rohr eingebaut mit einer Spindel. Die dreht der Motor, unten wird ständig Material angesaugt, oben ausgestoßen, so wird der Inhalt umgewälzt, und die Bakterien können ihre Arbeit verrichten.«
»Wie dick ist das Rohr?«
Galba formte mit den Händen einen Kreis, als halte er einen Fußball.
»Nicht dicker?«
»Nein.«
»Das heißt aber …«
»… Ja, das heißt, dass ein menschlicher Körper, den man hier hineinschmeißt, über kurz oder lang an die Ansaugöffnung kommt und sie verstopft. Eine Betriebsstörung wäre die Folge.«
»Betriebsstörung. Schon wieder. Du liebst dieses Wort, gib’s zu!«
Weiß grinste, Galba grinste zurück. Der Boden, obwohl nur aus Industriegitter, war wieder fest, der Schwindel verflogen.
»Nein, ich liebe es nicht, ich fürchte es wie nichts anderes auf der Welt. Ich werde nämlich dafür bezahlt, genau das zu verhindern: eine Betriebsstörung. Ich würde …«
»Du würdest nie eine Leiche in den Gärturm schmeißen?«
»Auf keinen Fall …«
»Sondern?«
»Zerkleinern. Mit einer Fleischmühle.«
»Das Ding mit den Walzen?«
»Du hast es schon besichtigt?«
»Ich habe mich erkundigt. Seit einem halben Jahr bekommt ihr die Fleischabfälle aus der Gastronomie, die früher an die Biogasanlagen der Bauern gingen. Das hat viel böses Blut gegeben.«
»Ja, bei den Bauern. Du darfst nicht vergessen: Ein Kilo Fett ergibt achtzig Liter Methan …«
»Ja dann!« Weiß lachte laut auf, als sei die Umwandlung von Fett in Biogas eine unerwartete, lustige Laune der Natur.»Ich hab mir die Dinger angeschaut«, sagte Weiß. Er lächelte; der Fett-Biogas-Witz schien ihm nicht aus dem Sinn zu gehen. »Diese gegenläufigen Walzen …«
»… Spindeln«, unterbrach ihn Galba, »eigentlich sind es Spindeln, technisch gesehen.«
»Wie auch immer, mir kamen die sehr groß vor – ich meine, für den Zweck … Gastronomieabfälle! Man könnte da doch eine ganze Sau durchlassen.«
»Kann man sicher auch. Aber diese Größe ist üblich. Ich hab nicht extra Supersize bestellt, um Roland Mathis reinzuschmeißen. Wenn du das meinst.«
»Nehmen wir einmal an, jemand hätte ihn reingeschmissen. Was bliebe dann übrig?«
»Du hast die Spindeln ja gesehen. Alles wird zerrissen und zerbrochen, das Weiche zerrissen …«
»… das Harte zerbrochen, verstehe schon, die Knochen. Wie würde es aussehen, wenn es rauskommt?«
»Ich nehme an, ein Gerichtsmediziner würde sogar an der Form der Knochenstücke erkennen, dass es ein Mensch war. Es gibt nur einen Durchgang, kein weiteres Zerkleinern, wir wollen ja keine Leberkäsmasse draus machen …«
»Hör auf, mir wird schlecht!«, rief Weiß mit gespieltem Ekel. Er lächelte dabei.
»Es geht nur darum«, fuhr Galba fort, »die Stücke so klein zu kriegen, dass sie ohne Probleme abgepumpt werden können …«
»Abgepumpt in den Gärbehälter?«
»Direkt rein. Tja, und dort … zersetzen sie sich halt anaerob wie der übrige Schlamm.«
»Auch die Knochen. Und die Teile sind natürlich so klein, dass sie diese zentrale Umrührspindel nicht blockieren.«
»So ist das Ganze konstruiert.«
»Wenn ich also rausfinden will, ob da ein Mensch drinsteckt, muss ich alles filtrieren …«
»Rund zehntausend Kubikmeter, jawohl. Du solltest dich allerdings beeilen, denn die Knochen halten da drin nicht ewig. Durch die Zerkleinerung geht der Abbau viel schneller vor sich.«
»Du hast sicher recht. Und selbst wenn ich Knochenbruchstücke finde, müsste ich
Weitere Kostenlose Bücher