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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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…«
    Galba konnte sein Glück nicht fassen. Er musste diesen Schulfreund nur weiter spekulieren lassen, er war schon auf der rechten Bahn. Ein kleiner Hinweis da und dort – und Nathanael Weiß würde wie von selbst zu den erwünschten Schlussfolgerungen kommen.
    »Abgekommen – warum?«, fragte er.
    »Weil ihm etwas Besseres eingefallen ist. Geld. Letzten Endes dreht es sich immer um Gefühle oder um Geld. Meistens um Geld. Er hat sich gedacht, die Bilder sind viel mehr wert als ein Abdruckhonorar.«
    »Kommt drauf an, was drauf ist …«
    »So ist es. Oft ist das Nicht-Abdruckhonorar viele Male höher …«
    »Und dann ist etwas schiefgelaufen?«
    »So könnte man sagen. Die da auf den Fotos waren, wollten nicht zahlen, weil sie nicht so interessiert sind an der Fotokunst, und unser guter Mathis musste das einsehen und seine Dispositionen ändern.«
    »Er ist abgehauen.«
    »Möglich. Er nimmt die Kamera mit, auch gut, er liebt diese Kamera, soll sein. Aber das Nachtsichtgerät? Wozu? Dumusst bedenken, er rennt einfach davon, so wie er ist mit dem, was er am Leibe hat und nichts anderem, ohne Koffer, ohne Tasche …«
    »Das weißt du doch nicht! Du weißt ja nicht, was fehlt – ich meine, wie viele Taschen, Hemden, Unterhosen da sein sollten …«
    »Stimmt, das weiß ich nicht. Wenn nun aber jemand sozusagen methodisch abhaut, hübsch die Reisetasche packt, alles einpackt, was er zu brauchen meint, von mir aus auch das ganze Fotogerödel – warum lässt er dann das Auto stehen?«
    »Um seine Verfolger zu verwirren. Er nimmt ein Taxi.«
    »Ach ja? Um damit wohin zu fahren? Zum Bahnhof? Zu einem Flughafen jedenfalls nicht, das haben wir überprüft. Er ist nicht geflogen. Er hat auch seine Bahncard nicht benützt …«
    »… Er könnte doch …«
    »Ja, die Fahrkarte ohne die Card gelöst haben. Wie hat er aber bezahlt?«
    »Wie jeder andere, ich sehe nicht, wo das Problem ist …«
    Galbas Stimme klang in seinen eigenen Ohren dünn, wie mochte sich das für Weiß anhören? Denn in Wahrheit sah Galba ganz genau, wo das Problem lag, er sah es jetzt mit übergroßer, alles überstrahlender Deutlichkeit.
    »Das Problem ist, er hat die Fahrkarte, so er denn eine gelöst hat, nicht bezahlt. Nicht mit Bankomatkarte, nicht mit Kreditkarte. Er hatte gar keine, Kreditkarte, meine ich. Das entsprach nicht seinem Empfinden von gesundem Wirtschaften …«
    »Woher weißt du das?«
    »Von der Bank. Denen hat er dort Vorträge gehalten über Zinsknechtschaft und solche Sachen. Er hatte ziemlich verschrobene Ansichten über Geld.«
    »Dann hätte er die Bankomatkarte auch ablehnen müssen …«
    »Hätte er, hat er aber nicht. Die Menschen sind inkonsequent. Faktum ist: Er hatte eine Bankomatkarte und hat sie fleißig benützt, wie die Kontoauszüge zeigen. Er hat praktisch jeden Dreck damit bezahlt, Beträge von zwei, drei Euro, Wurstsemmeln, solche Sachen. Und er hat nie Bargeld abgehoben. Alles per Bankomat bezahlt. Bis zu dem Tag, an dem er verschwunden ist!«
    »Das heißt …«
    »Er ist nicht verreist. Nicht ohne Geld. Er ist nur verschwunden. Besser: Man hat ihn verschwinden lassen.«
    »Aha …«
    »Fragt sich natürlich …«
    »… warum.«
    »Nein, das ist im Grunde klar. Weil er etwas fotografiert hat, was er hätte bleiben lassen sollen. Was das war, kriegen wir noch raus. Die wirkliche Frage ist: wo?«
    »Du hast sicher recht, ich sehe nur nicht, worauf du hinauswillst. In den Becken, sagst du selber, ist er nicht. Wo dann?«
    Weiß deutete nach unten. »Hier drin«, sagte er. »In diesen Türmen. Das könnte doch sein, oder?«
    Galba sagte längere Zeit nichts. Es sah nicht aus, als ob er über die Frage nachdächte. Er starrte seinen Schulkameraden nur an. Auf der Stirn standen Schweißtropfen. Weiß schien auch keine Antwort zu erwarten. Er hatte sich umgedreht, stützte die Ellbogen auf das Geländer. Nach einer Weile deutete er auf den mit sechs Schrauben fixierten Deckel auf dem kegelförmigen Dach des Turms.
    »Wozu ist dieses Mannloch?«, fragte er.
    »Wartung.« Galbas Stimme klang heiser, als habe er endlos viel geredet oder aber endlos lang geschwiegen.
    »Genau so sieht es aus. Wartung. Würde Mathis durchpassen?«
    Galba sagte nichts.
    »Die Unterhaltung wird etwas mühselig, findest du nicht? Alles muss man dir aus der Nase ziehen …«
    »Ich finde das nicht komisch. Du deutest an, Mathis ist da drin. Weißt du, was das heißen würde?«
    »Nicht würde , lieber Toni. Sondern heißt .

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