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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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in den Nachklär- und auch nicht in den Belebtschlammbecken. Das hieß aber nach den Gesetzen der Logik, dass Dipl.-Ing. Galba über den wahren Aufenthaltsort des verschwundenen Laboranten Mathis hundertprozentige Gewissheit hatte. Hier ging es nicht um verzwickte Kleinigkeiten wie abgerissene Knöpfe und verlorene Haarspangen wie in den Fernsehkrimis, sondern um einen Kapitalfehler, der im Fernsehen nie vorkommt, weil der Film dann nur eine Viertelstunde dauern würde – wenn der Verbrecher ein Idiot war, brauchte man keine falschen Verdächtigen, keine verwirrenden Spuren, und für Nebenhandlungen wäre auch keine Zeit; bevor die sich entwickeln könnten, würde der Idiot verhaftet.
    Galba holte tief Luft. Eigentlich war er verloren. Er wusste es in diesem Augenblick. Aber uneigentlich … half ihm sein Mantra: ohne Leiche kein Verbrechen.
    »Das Zeug einfach ablassen oder umpumpen könnt ihrnicht?«, fragte Weiß. Er wirkte abwesend. Vielleicht ist er nicht abwesend, dachte Galba, sondern peinlich berührt, weil er gleich seinen Schulfreund verhaften muss … Heißt das so: verhaften ? Und heißt es Schulfreund ? In diesem Fall?
    »Das können wir nicht«, sagte er. »Umpumpen – wohin? Ist alles belegt. – Ich ruf die Taucher an.«
    »Lass es sein!« Weiß hatte sich ihm zugewendet, weg vom Geländer.
    »Warum?«
    »Es bringt sowieso nichts. Er ist nicht in den Becken.«
    »Wo dann?«
    »Ich hatte gehofft, du könntest mir das sagen.«
    Galba hob und senkte die Schultern so outriert, dass man es für eine gymnastische Übung halten konnte. Gestik für die letzte Reihe.
    »Ich meine, du kennst dich hier aus«, setzte Weiß fort. »Du kennst jeden Winkel, es ist deine Anlage …«
    »Stimmt.«
    »Na eben. Also sollte dir doch auch einfallen, wo er sein könnte …«
    »Ich hab nicht darüber nachgedacht. Weil ich … Ich verstehe nicht, warum er ausgerechnet hier sein soll. Hast du Hinweise, dass es so ist?«
    »Fotos …«
    »Ach so …«
    Weiß starrte wieder in die Tiefe, aufs Vorklärbecken 2, kam es Galba vor. Warum sagte er nichts, worauf wartete er? Auf Galbas mit schon halb gebrochener Stimme vorgebrachte Frage: Was für Fotos? Darauf Weiß: Du weißt doch genau, was für Fotos! Und so weiter … wie in den alten Fernsehkrimis drei Minuten vor Schluss, wo der Kommissar alles aufklärt und der Täter endgültig die Nerven weghaut.
    »Landschaften, Reisebilder, hauptsächlich solche Sachen«, sagte Weiß.
    »Ich sehe den Zusammenhang nicht …«
    »Welchen Zusammenhang?«
    »Du hast gesagt, du hast Hinweise, dass er hier irgendwo ist, eben Fotos.«
    Weiß warf ihm einen verwunderten Blick zu. »Das hast du falsch verstanden. Die Fotos, die wir gefunden haben, geben keinen Hinweis auf die Anlage. Die hat er nicht fotografiert, nicht ein Mal! – Die Fotos sind ein Problem«, fuhr er fort, »es gibt zwar Fotos, aber keine Kamera. Sieht so aus, als ob er sie mitgenommen hätte. Ziemlich viele von den Fotos im Computer sind grün, Naturaufnahmen, Hirsche zum Beispiel. Hirsche kriegst du bei Tag kaum zu sehen. Unser Spezialist sagt, es sind Aufnahmen durch ein Nachtsichtgerät. Hat er das einmal erwähnt?«
    »Nein.« Es klang wie ein Krächzen, Galbas Mund fühlte sich an, als sei in Sekunden alle Feuchtigkeit daraus geschwunden.
    »Man kann die Dinger jetzt um ein paar hundert Euro kaufen, die billigeren stammen alle aus dem Osten, sind erstaunlich gut, sagt unser Spezialist. Wenn du da einen fotografierst mitten in der Nacht, ist er ohne weiteres erkennbar, sogar auf zwanzig, dreißig Meter, sagt er.«
    »Aha.«
    »Wir wissen nicht, was für einen Typ Nachtsichtgerät er verwendet hat. Das ist nämlich auch verschwunden.«
    »Ach?«
    »Ja, und wenn wir jetzt ein bisschen spekulieren, dann ergeben sich Ungereimtheiten!« Weiß lebte auf, aus dem Stand. Er gestikulierte, seine Augen glänzten.
    »Angenommen, Mathis hat etwas fotografiert, buchstäblichbei Nacht und Nebel, was ihm komisch vorgekommen ist: Was würde er dann damit machen?«
    »Fragst du mich? Keine Ahnung … Wart mal … Vor ein paar Wochen hat er mich gefragt, ob ich vielleicht jemanden vom profil kenne, nein, wieso, frag ich, sagt er, wegen Naturfotos, die man vielleicht abdrucken könnte … Er hat dann schnell das Thema gewechselt …«
    »Siehst du! Nun kommen wir der Sache schon näher – er hat also Fotos gemacht, aber nicht von der Natur, sondern in der Natur. Er hat daran gedacht, sie zu veröffentlichen. Davon ist er dann abgekommen

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