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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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verlange ja keinen Roman, nur ein einfaches Ja oder Nein – das heißt, nein fände ich kontraproduktiv, ich weiß nämlich, dass du sie schlägst, deine liebenswerte Frau, ich muss dir also vom Leugnen dringend abraten.«
    Hopfner stöhnte, wollte aufstehen.
    »Nein, sie hat mir nichts davon erzählt, das ist einfach meine Erfahrung als Polizeibeamter, verstehst du. So nette Frauen wie deine haben oft als Mann ein Stück Dreck wie dich, Gott allein weiß, warum. Aber es ist so, eine empirische Tatsache. Also: Du schlägst sie doch?«
    Hopfner stöhnte.
    »Du wiederholst dich«, sagte Weiß. »Ich verspreche dir, ich tu dir nichts, wenn du es zugibst. Ich möchte es nur hören, aus deinem Mund hören.«
    »Ja«, krächzte Hopfner.
    »Sehr gut! Das ist schon einmal ein Anfang, du hast es zugegeben. Und jetzt hör genau zu, was ich dir sage. Du hörst doch zu, oder?«
    Hopfner beeilte sich, in die Kloschüssel hineinzunicken.Die Stimme war sehr leise, sie klang schwach wie die eines alten Mannes. Um sich verständlich zu machen, beugte Weiß sich zu Hopfners rechtem Ohr.
    »Wenn du sie wieder schlägst – bring ich dich um. Verstehst du mich? Du schlägst sie, ich komme und bring dich um. Ganz einfach.«
    Hopfner nickte.
    »Ich möchte hören, ob du das verstanden hast, ein einfaches Ja genügt, so wie vorhin.«
    »Ja«, sagte Hopfner.
    Weiß stand auf. »Du kannst jetzt gehen«, sagte er. »Du betrittst nie mehr mein Zimmer und sprichst mich nicht an. Du siehst mich auch nicht an, nie mehr.« Hopfner nickte, rappelte sich hoch.
    »Geh«, sagte Weiß.
    Hopfner ging, nur halb aufrecht, aber schnell.
    Chefinspektor Weiß setzte sich wieder an den kleinen Tisch. Das Buch klappte er zu. Mit der Konzentration war es vorbei. Er war unzufrieden. Hopfner stand unter Schock, das stimmte schon, unter einem starken Schock. Er würde nichts von dem tun, was ihm Weiß verboten hatte. Aber diese Phase würde nicht anhalten. Die Phase war umso länger, je stärker der einleitende Schock ausgefallen war. Aber am Ende war sie nie lang genug. Weiß wusste das.
    Hopfner hielt sich an die Auflagen, sprach den Chefinspektor nicht an, suchte keinen Blickkontakt. Zwei Wochen später wurden sie beide entlassen und kehrten nach Vorarlberg zurück.

    *

    Der Mann hatte kein Gesicht. Wo das sein sollte, war nur eine weiße Fläche, allerdings mit einem Loch im unteren Teil, daraus kam das Geräusch, das der Mann machte, ein rasselndes Röhren wie von einem Steinbrechwerk; eine Instanz in Galbas Kopf wusste, das kann gar nicht sein, dass ein Mensch so einen Laut produziert: nicht, wenn er bis zu den Knien im Häcksler steckt, er ist entweder tot, weil es so lang gedauert hat, oder bewusstlos vom Blutverlust, der muss enorm sein, die Gefäße werden nicht abgetrennt wie bei einem Schnitt, etwa einem Kreissägeunfall, weshalb sie sich nicht verkrampfen und eine Zeitlang selbst verschließen können; sie werden abgerissen, es gibt nur zerfaserte Enden, das Blut spritzt heraus wie aus einem Gartenschlauch, zwei, drei Liter sind schnell beisammen, der Blutdruck muss steil abfallen, wie kann er da schreien, das ist doch überhaupt alles ein Blödsinn, das geht doch schon minutenlang so, inzwischen würde es von Leuten wimmeln, das hört man doch kilometerweit – und warum, bitte, ist der Häcksler stehengeblieben, eine so teure, mehrfach abgesicherte Maschine, alles Unsinn, an dem man ersehen konnte, dass es ein Traum war.
    Nur ein Traum. Die logische Instanz in Galbas Kopf war schwer auf Draht und kam da immer sehr schnell drauf, so dass die andere Instanz, die panische, die ihm den Schweiß auf die Stirn trieb und seinen Kreislauf mit unguten Botenstoffen überschwemmte, nicht recht zum Zug kam und bald verstummte, worauf Galba aufwachte. Ein richtiger Trost war das nicht, das wunderbare Funktionieren der logischen Instanz, denn sie konnte die Träume nur abkürzen und als Träume entlarven. Aber nicht verhindern. Diese Träume kamen oft, erst einmal pro Woche, mittlerweile schon zweimal. Es ging immer um den Häcksler und anonyme Opfer, die Galba hineinstieß, immer mit den Füßen voran, wenn er sie kopfüberhineingestoßen hätte, wäre die Sache akustisch sauber gelöst – aber er machte jedes Mal denselben Fehler.
    Er wusste nicht, wer diese Männer und Frauen waren, noch, warum ausgerechnet er sie beseitigen musste; es gab nur jedes Mal dieses Problem mit dem Häckslerantrieb. Und nie wurde es gelöst, der Traum brach in der Mitte ab, die

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