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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Opfer blieben stecken, die besserwisserische Rationalitätsinstanz erklärte das Ganze zu einem Traum, er wachte auf, aus.
    Galba konnte diese Träume nicht verbergen. Er stöhnte so laut, dass Hilde davon wach wurde. Sie hatten zwar getrennte Schlafzimmer, aber die Türen mussten offen bleiben, seine und ihre, Hilde hatte Angst, allein zu schlafen, von Kindheit an; ein idiotisches Arrangement, offene Türen, warum schliefen sie dann nicht gleich im selben Bett? Das fragte er sich oft, erinnerte sich nicht mehr daran, wie es zu den zwei Schlafzimmern gekommen war, das hatte er verdrängt, es hing mit dem nachlassenden sexuellen Interesse zusammen. Dem beiderseitigen nachlassenden sexuellen Interesse. Da rührte er nicht dran, Hilde war es zufrieden, wenn die Türen einen Spalt offen standen, dann könne sie schlafen, behauptete sie, sonst nicht. Sie hatte einen leichten Schlaf, aber Galba schnarchte nicht. Er hatte in der Nacht auch nie gestöhnt noch sonst irgendwelche Geräusche von sich gegeben, er lag ruhig, drehte sich kaum um; wenn er nun aus einem dieser Träume erwachte, stand Hilde eine halbe Minute später an seinem Bett und flüsterte Trost, sagte: »Nur ein Traum, du hast nur schlecht geträumt, es wird alles gut«, aber sie fragte nie, was er geträumt hatte, das war seltsam. Er antwortete nichts, sie zog sich in ihr Zimmer zurück, und er schlief ein. Der Traum kehrte in derselben Nacht nicht mehr zurück. Galba war überzeugt, dass der Traumspuk ein für alle Mal verschwinden würde, wenn es ihm nur ein einziges Mal gelänge, das anonymeOpfer komplett durch den Fleischhäcksler zu jagen, die Stockung beruhte, das wusste er im Traum, auf einem trivialen Bedienungsfehler, er hatte einfach vergessen zu … Aber was er da vergessen hatte, darauf kam er nie. Einen zusätzlichen Schalter umlegen, etwas in der Art, die Freilaufbremse zu entkoppeln , fiel ihm dann ein. Das war es, wenn er nur an diese vermaledeite Freilaufbremse herankäme, um sie zu entkoppeln , würde alles funktionieren. Er begann in der Blechhütte herumzusuchen, während hinter ihm ein Mann, den er gar nicht kannte, seine unvorstellbare Qual in die Nacht hinausbrüllte, minutenlang, was physiologisch in der realen Welt nicht möglich war, ebenso wenig, wie in der realen Welt bei dem Häcksler eine Freilaufbremse existierte. Die gab es nur am Fahrrad – und sogar dort konnte man sie nicht entkoppeln ; von was entkoppeln, bitteschön, das war alles Traumquatsch mit Ingenieurstouch, eine besondere Perfidie seines Unbewussten. Manchmal dachte er im Traum auch: Ich hätte doch das Modell mit dem Torsendifferential anschaffen sollen, dann wäre das nicht passiert. Das war noch blöder als die Freilaufbremse , denn während beim Häcksler so etwas wie eine Bremse, welcher Art sie auch sein mochte, wenigstens denkbar war, gab es für die Existenz eines Differentialgetriebes keinen sachlogischen Grund, denn es gab keine unterschiedlichen Drehgeschwindigkeiten bei dieser Maschine.
    Nach solchen Traumnächten fühlte er sich am nächsten Tag wie zerschlagen und müde. Obwohl er nach dem Entsetzen des Erwachens traumlos schlief, brachte ihm dieser Schlaf keine seelische Erholung. Er war müde, konnte sich nicht konzentrieren. Den Schlaf auf dem Sofa im Büro nachzuholen, gelang nicht, er döste zwar ein, aber warf sich dann unruhig hin und her, das In-echten-Schlaf-Versinken blieb aus.
    Es hätte vielleicht geholfen, wenn er mit irgendeinem Menschendarüber hätte reden können. Aber das war in der gegebenen Situation unmöglich. Er konnte seine Träume keinem Arzt schildern – aber auch sonst niemandem, er hätte sich verdächtig gemacht. Die rohe Unverfrorenheit seiner Traumgebilde erschreckte ihn, da gab es keine Verschlüsselung, keine Verschiebung der Akzente in der Szene, da gab es nur durchsichtige Übertreibung. Hilde fragte nie, dennoch erzählte er beim Frühstück von seinen Träumen. Nicht von den realen, sondern von erfundenen, wobei er sich an drei bis vier Standardsituationen hielt. Am häufigsten fabulierte er die nicht bestandene Matura und einen nicht erreichten Zug, den er aber hätte erreichen sollen, weil irgendetwas Lebenswichtiges daran hing – bei diesen erdichteten Träumen kam er nicht einmal in die Nähe der ARA. Hilde schien das Ganze aber nicht zu interessieren, aus ihren Blicken las er zwar eine gewisse Sorge, und sie riet ihm auch, zum Arzt zu gehen, beschränkte sich aber auf den zusammenfassenden Befund, er sei

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