Alles fuer die Katz
ihr ins Ohr: »Still, geh einfach nur weiter.«
Als wir an der Mauer angelangt waren, streckte Helen die Hand aus und streichelte Ollys Kopf, doch er war so beschäftigt mit dem Schellfisch, dass er gar nicht hochsah. Da war er, in Brusthöhe, kaum einen Meter von mir entfernt. Meine Chancen hatten nie besser gestanden. Blitzartig fuhr ich mit der Hand hinter Helen hervor, packte ihn am Genick, hielt ihn – ein Trommelfeuer von um sich schlagenden schwarzen Beinen – ein paar Sekunden lang fest und stieß ihn dann in den Käfig. Als ich den Deckel zuwarf, schaute an einem Ende eine verzweifelte schwarze Pfote heraus, doch ich drückte sie hinein und schob den Eisenriegel vor. Nun gab es kein Entrinnen.
Ich stellte den Käfig auf die Mauer, sodass Olly und ich uns auf Augenhöhe gegenüberstanden, und zuckte zurück, als mich sein anklagender Blick durch die Stäbe traf. O nein, nicht schon wieder! Ich kann’s nicht glauben!, schien er zu sagen. Finden deine Gemeinheiten denn nie ein Ende?
In Wirklichkeit war mir ziemlich elend zumute. Die arme, von meinem Überfall zu Tode erschreckte Katze hatte nicht einmal versucht zu kratzen oder zu beißen. Ich konnte es ihr nicht verübeln, wenn sie eine schlechte Meinung von mir hatte.
Trotzdem, so sagte ich mir, würde sie am Ende als gepflegtes hübsches Tier freikommen. »Du wirst dich nicht wiedererkennen, alter Junge«, sagte ich zu Olly, als wir zur Praxis fuhren. »Diesmal werde ich dich richtig schön herausputzen. Du wirst einfach toll aussehen.«
Siegfried hatte mir seine Hilfe angeboten, und als wir den zitternden Olly erst einmal auf dem Tisch hatten, ließ er die intravenöse Narkoseinjektion widerstandslos über sich ergehen. Während er friedlich schlafend dalag, machte ich mich mit grimmigem Vergnügen über das grässlich verfilzte Fell her, schnippelte und trimmte, bearbeitete ihn danach mit der elektrischen Haarschneidemaschine und striegelte ihn schließlich so lange, bis auch der letzte winzige Knoten ausgekämmt war. Beim letzten Mal hatte ich ihn nur behelfsmäßig frisiert, doch nun bekam er das komplette Programm.
Siegfried lachte, als ich ihn hoch hielt, nachdem ich fertig war. »Sieht aus, als könnte er jetzt auf jeder Katzenshow gewinnen.«
Am nächsten Morgen, als die Katzen auf der Mauer zum Frühstück kamen, dachte ich an seine Worte. Ginny war immer schön, doch jetzt konnte sie kaum mit ihrem Bruder konkurrieren, der mit glattem, schimmerndem, in der Sonne glänzendem Fell anstolziert kam.
Helen war entzückt über sein Aussehen und strich ihm immer wieder bewundernd über den Rücken. Ich hatte natürlich meine übliche Position eingenommen und spähte verstohlen aus dem Fenster. Es sollte noch eine lange Zeit vergehen, bis ich es wagte, Olly überhaupt unter die Augen zu treten.
Schon bald wurde mir klar, dass mein Ansehen einen neuen Tiefstand erreicht hatte, denn ich brauchte nur aus der Hintertür zu treten, damit er davonflitzte. Die Situation wurde so schlimm, dass ich mir ernsthaft den Kopf darüber zu zerbrechen begann.
»Helen«, sagte ich eines Morgens. »Diese Sache mit Olly zerrt an meinen Nerven. Ich wünschte, ich könnte etwas daran ändern.«
»Es gibt einen Weg, Jim«, sagte sie. »Du musst ihn endlich kennen lernen. Und er dich.«
Ich warf ihr einen finsteren Blick zu. »Ich fürchte, wenn du ihn fragst, wird er dir antworten, dass er mich nur allzu gut kennt.«
»Ja, ich weiß, aber wenn du es dir einmal genau überlegst, haben dich diese Katzen in all den Jahren, die wir sie jetzt schon haben, kaum zu sehen gekriegt. Nur immer in Notfällen. Ich bin diejenige, die sie gefüttert, mit ihnen geredet, sie tagein, tagaus gestreichelt hat. Mich kennen sie, und mir vertrauen sie auch.«
»Das stimmt schon, aber ich hatte doch einfach keine Zeit.«
»Natürlich hattest du keine Zeit. Dein Leben ist eine einzige Hetzerei. Kaum bist du mal zu Hause, bist du auch schon wieder unterwegs.«
Ich nickte nachdenklich. Sie hatte ja so Recht. Im Lauf der Jahre hatte ich diese Katzen zwar ins Herz geschlossen und mich jedes Mal gefreut, wenn ich sah, wie sie den Abhang herunter zu ihren Fressnäpfen getrottet kamen, im hohen Gras auf dem Feld spielten und von Helen mit Zärtlichkeiten verwöhnt wurden, doch verglichen mit ihr war ich für sie ein Fremder. Es gab mir einen Stich, als ich mir vergegenwärtigte, dass diese lange Zeit so schnell verflogen war.
»Vielleicht ist es ja noch nicht zu spät. Ob ich noch
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