Alles fuer die Katz
Frau hatte er vor vielen Jahren verloren – ich hatte nie eine Mrs. Fawcett kennen gelernt –, und er lebte allein von einer Altersrente. Es war ein sehr bescheidenes Leben. Er war ein stiller, freundlicher Mann, der nicht oft ausging und kaum Freunde zu haben schien, aber er hatte Frisk.
Der kleine Kater war ihm vor sechs Jahren zugelaufen und hatte sein Leben verwandelt, hatte durch seine Anwesenheit Leben und Freude in das stille Haus und mit seinen Tricks und seiner Verspieltheit den alten Mann zum Lachen gebracht, war ihm überallhin nachgelaufen, hatte sich an seinen Beinen gerieben. Seitdem war Dick nicht mehr einsam, und ich hatte beobachtet, wie im Lauf der Jahre das warme, freundschaftliche Band zwischen ihnen immer stärker geworden war. Im Grunde war es sogar noch etwas mehr – der alte Mann schien von Frisk abhängig zu sein. Und nun das.
Ja, dachte ich, als ich durch den Flur zurückging, solche Dinge kommen in der tierärztlichen Praxis eben vor. Haustiere lebten einfach nicht lange genug. Doch in diesem Falle war mir nur so unbehaglich zumute, weil ich keine Ahnung hatte, was meinem Patienten fehlte. Ich tappte total im Dunkeln.
Am folgenden Morgen sah ich zu meiner Überraschung Dick Fawcett im Wartezimmer sitzen, den Pappkarton auf den Knien.
Ich starrte ihn an. »Was ist passiert?«
Er antwortete nicht, und sein Gesichtsausdruck war unergründlich, während wir ins Behandlungszimmer gingen und er die Knoten aufknüpfte. Als er die Box öffnete, machte ich mich auf das Schlimmste gefasst, doch zu meiner Verblüffung sprang die kleine Katze auf den Tisch, rieb ihr Gesicht an meiner Hand und schnurrte wie ein Motorrad.
Der alte Mann lachte, sein dünnes Gesicht war wie verwandelt. »Na, was sagen Sie dazu?«
»Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, Dick!« Ich untersuchte das kleine Tier gründlich. Es war vollkommen in Ordnung. »Ich weiß nur, dass es mich riesig freut. Es ist wie ein Wunder.«
»Nein, nein«, sagte er. »Es war die Spritze, die Sie ihm gegeben haben. Sie hat das Wunder bewirkt. Ich bin Ihnen sehr dankbar.«
Das war zwar sehr nett von ihm, aber so einfach lagen die Dinge nicht. Irgendetwas war hier noch, das ich nicht verstand, aber egal, Gott sei Dank war die Sache gut ausgegangen.
Der Vorfall war bereits zu einer angenehmen Erinnerung verblasst, als Dick Fawcett drei Tage später wieder mit seiner Box erschien. Darin lag Frisk, reglos, ohnmächtig wie zuvor. Völlig fassungslos wiederholte ich die Injektion, und am folgenden Tag war die Katze normal. Von da ab befand ich mich in einer Lage, die jeder Tierarzt nur zu gut kennt – ich stand vor einem rätselhaften Fall und wartete mit einer Ahnung drohenden Unheils darauf, dass etwas Tragisches geschehen würde.
Fast eine ganze Woche lang tat sich nichts, und dann rief Mrs. Duggan, Dicks Nachbarin, mich an.
»Ich rufe im Auftrag von Mr. Fawcett an. Seine Katze ist krank.«
»Was fehlt ihr denn?«
»Ach, sie liegt ausgestreckt da, als wenn sie bewusstlos wäre.«
Ich unterdrückte einen Aufschrei. »Wann ist das passiert?«
»Hat sie grad heute früh so gefunden. Und Mr. Fawcett kann sie nicht zu Ihnen bringen – er ist selber schlecht dran. Er liegt im Bett.«
»Tut mir Leid, das zu hören. Ich komme gleich vorbei.«
Und es war ganz genauso wie zuvor. Ein nahezu lebloses kleines Wesen lag auf dem Bauch auf Dicks Bett. Dick selber sah schrecklich aus – grässlich weiß und magerer denn je –, doch er rang sich ein Lächeln ab.
»Sieht so aus, als würde er wieder eine von ihren Zauberinjektionen brauchen, Mr. Herriot.«
Als ich die Spritze aufzog, schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass hier tatsächlich irgendein Zauber am Werk war, bloß war das nicht meine Injektion.
»Ich komme morgen wieder vorbei, Dick«, sagte ich. »Und ich hoffe, Ihnen selbst geht es dann auch besser.«
»Ach, ich komm schon zurecht, solange es nur dem kleinen Burschen besser geht.« Der alte Mann streckte die Hand aus und streichelte das glänzende Fell des Katers. Der Arm war spindeldürr, und die Augen in dem bis zum Schädel abgemagerten Gesicht spiegelten äußerste Besorgnis.
Ich schaute mich in dem trostlosen kleinen Zimmer um und hoffte auf ein weiteres Wunder.
Ich war im Grunde nicht überrascht, als ich am nächsten Vormittag wiederkam und sah, dass Frisk auf dem Bett herumsprang und mit der Pfote nach einem Stück Schnur haschte, das der alte Mann ihm hinhielt. Ich war sehr erleichtert, hatte aber das immer
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